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Ausgabe 01/2020
Klima

Stromfresser Klimaanlage

Der weltweite Strombedarf für Klimaanlagen könnte in Zukunft deutlich steigen. Denn auch in tropischen Ländern mit niedrigem und mittlerem Durchschnittseinkommen werden immer mehr Anlagen verkauft. Wie groß der globale Bedarf an Raumkühlung werden könnte, untersuchten Wissenschaftler um Lucas Davis von der University of California in Berkeley, USA, im Fachjournal ,,Nature Sustainability“.


In der Altstadt von Singapore City
(Foto: Panthermedia, Danilum)

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Der boomende Verkauf von Klimaanlagen in Ländern wie Thailand, Indonesien oder Vietnam sei eigentlich eine gute Nachricht, so Davis und Kollegen: „Klimaanlagen erhöhen den Komfort für den Menschen und steigern die Produktivität.“ Der größere Strombedarf führe aber auch zu mehr Umweltbelastung, da Elektrizität überwiegend aus fossilen Brennstoffen erzeugt werde, was große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid freisetzt.

Für ihre Prognose werteten die Forscher für 219 Staaten und 1692 Städte über einen Zeitraum von zehn Jahren die täglichen Temperaturmessungen von rund 14 500 Wetterstationen aus. Tage mit einer mittleren Temperatur über 18,3 Grad in einem Gebiet wurden als „Kühlungsgradtage“ gewertet. Auf die jeweilige Bevölkerung hochgerechnet ergab sich dann der potenzielle Bedarf an Raumkühlung.

Damit erreicht Indien wegen hoher Durchschnittstemperaturen und großer Bevölkerung mit Abstand den höchsten Wert – etwa 28 Prozent des errechneten weltweiten Bedarfs. Es folgen China mit zehn, Indonesien mit sechs und Nigeria mit fünf Prozent – alle vier zusammen beinahe die Hälfte des globalen Raumkühlungsbedarfs. Unter den Städten liegt das indische Mumbai mit 21 Millionen Einwohnern vorne, das allein auf etwa ein Viertel des Bedarfs der gesamten USA kommt. Die einzige Stadt in einem Land mit hohem Durchschnittseinkommen unter den ersten zehn ist Tokio mit 38 Millionen Einwohnern.

Die Forscher weisen jedoch auch auf Schwächen ihrer Methode hin: Unterschiedliche Haushalts- und Gebäudegrößen, Bauweisen, Siedlungsformen und viele weitere Faktoren seien nicht berücksichtigt. Zudem gebe es Alternativen zu Klimaanlagen: „Eine bessere Isolierung der Häuser und die Verwendung von natürlichem Schatten, kühlenden Dächern und passiven Kühlsystemen sind energiesparende Kühlungsansätze.“

In Deutschland besitzen, so schätzt das Umweltbundesamt, etwa drei Prozent der Haushalte eine Klimaanlage. Experten erwarten, dass im Zuge des Klimawandels zunehmend mehr Geräte eingesetzt werden. Bereits jetzt gehen zehn Prozent des globalen Stromverbrauchs auf das Konto von Klimageräten und Ventilatoren zur Raumluftkühlung, so die Internationale Energieagentur IEA (siehe Energie-Perspektiven 2/2018).

Bis 2050 könnten rund zwei Drittel aller Haushalte weltweit so ausgestattet sein, schätzt die IEA – nicht nur wegen der Erderwärmung, sondern auch wegen des steigenden Wohlstands. Die wachsende Zahl von Geräten in Wohn- und Bürogebäuden werde in den kommenden drei Jahrzehnten einer der Haupttreiber des globalen Stromverbrauchs sein.

Stefan Parsch

 

Originalveröffentlichung

Léopold T. Biardeau, Lucas W. Davis, Paul Gertler, Catherine Wolfram: Heat exposure and global air conditioning.
In: Nature Sustainability, Vol. 3, Januar 2020, Seite 25-28
DOI: 10.1038/s41893-019-0441-9