|
|
|
Ausgabe 04/2010 |
|
|
|
|
Ausgabe 04/2010
Stromnetz
Erneuerbare integrieren
Das deutsche Stromsystem muss sich grundlegend wandeln, um erneuerbare Energien aufnehmen und zugleich eine sichere und wirtschaftliche Versorgung gewährleisten zu können. Zu diesem Ergebnis kommt die jetzt erschienene Netzstudie II der Deutschen Energie-Agentur Dena. Sie setzt die 2005 veröffentlichte Netzstudie I fort (siehe Energie-Perspektiven 3/2010), die bis 2015 einen Ausbaubedarf von 850 Kilometer ermittelt hatte. 90 Kilometer wurden bislang fertig gestellt.
|
Bis zu 3600 Kilometer Freileitungen müssen neu gebaut werden (Foto: Amprion) | | |
Bis zum Jahr 2020 werden, so die Netzstudie II, bis zu 3600 Kilometer neue Trassen nötig, um die vorgegebenen Ziele zu erreichen: 39 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien – insbesondere 51 Gigawatt Windkraft und knapp 18 Gigawatt Photovoltaik – aufnehmen, für den Rest konventionelle Kraftwerke wirtschaftlich einsetzen und den zunehmenden europäischen Stromhandel berücksichtigen. Die Studie wurde von einem Konsortium unter der Leitung des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln erarbeitet. Dem begleitenden Steuerungskreis gehören die Bundesministerien für Wirtschaft und Umwelt an, Vertreter der Windenergiebranche, Netzbetreiber, Industrieunternehmen sowie Verbände der Energiewirtschaft.
|
Kraftwerksleistung 2005 und 2020 (Daten: Dena, Grafik: IPP) |
| |
3600 Kilometer Höchstspannungstrassen müssen neu errichtet werden, wenn für den Ausbau des Stromnetzes die konventionellen 380-Kilovolt-Freileitungskabel verwendet werden – insgesamt 9,7 Milliarden Euro würde das kosten. Mit Leitungsmonitoring – die Betriebstemperatur der Leiter wird überwacht und bei kalter Witterung mehr Strom durchgeleitet – ließen sich bei Kosten von 9,8 Milliarden Euro 100 Kilometer einsparen; 3100 Kilometer der bestehenden Freileitungstrassen wären zudem baulich anzupassen. Hochtemperaturleiter könnten den Neubaubedarf auf 1700 Kilometer senken; 5700 km bestehender Trassen wären umzurüsten. Die Investitionskosten lägen mit 17 Milliarden Euro jedoch wesentlich höher als bei den ersten beiden Varianten. Mit unterirdisch verlegten Gleichspannungstrassen schließlich ließe sich der Netzausbau geringfügig auf 3400 Kilometer reduzieren. Dies wäre die optisch angenehmste, allerdings mit Kosten von 22 bis 29 Milliarden Euro auch teuerste Lösung.
|
Viele hundert Kilometer der vorhandenen Freileitungstrassen sind umzubauen (Foto: Amprion) |
| |
„Eine Akzeptanzoffensive“, fordert angesichts dieser Zahlen Dena-Chef Stephan Kohler, „die bei der Bevölkerung das Bewusstsein schafft, dass Deutschland den Netzausbau braucht.“ Die Studie liefere nachvollziehbare Kriterien zur Bewertung der verschiedenen technischen Optionen und Entscheidungshilfen für die nun anstehende konkrete Trassenplanung: „Das fehlende Stromnetz darf nicht zum Flaschenhals werden, der den Ausbau der erneuerbaren Energien bremst.“
Wie groß diese Herausforderung ist, zeigt die Reaktion der Umweltverbände: Wer ernsthaft versuche, binnen zehn Jahren 3600 Kilometer neue Überlandleitungen durch Deutschland zu treiben, werde am Widerstand der betroffenen Anwohner und des Naturschutzes scheitern, sagte zum Beispiel Rainer Baake von der Deutschen Umwelthilfe DUH. Für die neuen Stromautobahnen käme mittelfristig auch eine komplette Erdverkabelung mit Gleichstromtechnologie in Betracht. Die Mehrkosten nach den Berechnungen der Dena seien aus DUH-Sicht vertretbar: „Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie den in ihrem Energiekonzept angekündigten Bundesnetzplan nun zügig als Entwurf vorlegt, ihn nachvollziehbar begründet und einer öffentlichen Diskussion zugänglich macht, bevor sie über ihn entscheidet“, forderte Baake. Der Netzplan müsse verbindliche Vorgaben machen, auf welchen Strecken welche Übertragungstechnologien eingesetzt werden sollen, um Akzeptanz zu schaffen und den Netzausbau zu beschleunigen.
imi
| |