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Ausgabe 03/2010
Stromversorgung

Ein Netz für den Wind

Nahezu ohne Verbindung zueinander arbeiteten die rund 4000 deutschen Elektrizitätswerke Anfang des letzten Jahrhunderts. Die erste 220-Kilovolt-Freileitung verband ab 1922 Kohlekraftwerke im Rheinland mit Wasser- und Speicherkraftwerken in den Alpen. Erst vor gut fünfzig Jahren entstand das heutige 380-Kilovolt-Übertragungsnetz. Es sollte den Strom von den Kraftwerken in die Nähe der Verbrauchszentren bringen und Störungen ausgleichen. Große Stromtransits über weite Strecken waren noch keine Aufgabe.


Seekabel werden zum Verlegen auf riesige Kabelrollen aufgewickelt (Foto: ABB/transpower)

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Dies änderte sich mit der Liberalisierung des europäischen Energiemarkts in den 1990er Jahren. Im Interesse eines wettbewerbsorientierten Strommarktes nimmt der Stromtransport in Europa seither großflächig zu. In Deutschland wird der geplante Ausbau der Windenergie dies nochmals verstärken. Den Strom aus dem Norden, wo der Wind am stärksten weht, zu den Verbrauchern in Mittel- und Süddeutschland zu bringen, belastet das Netz so stark, dass ein Ausbau unvermeidlich wird. Zusätzliche 850 Leitungskilometer sind zu errichten, sagt die Netzstudie I der Deutschen Energie Agentur Dena, um den zentral auf See und dezentral an Land erzeugten Windstrom in das deutsche Verbundnetz zu integrieren (siehe Energie-Perspektiven 1/2005). Nur so können erneuerbare Energien bis 2015 den gewünschten Anteil von 20 Prozent an der deutschen Stromerzeugung erreichen.


Der bis zum Jahr 2015 nötige Netzausbau (Grafik: IPP; Daten; dena 2006)
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Die Ergebnisse der Dena-Studie gingen ein in einen Bedarfsplan für den Netzausbau, der dem 2009 verabschiedeten Energieleitungsausbaugesetz zugrunde liegt. Es soll mit verkürzten Genehmigungszeiten die Netzaufrüstung beschleunigen, „eine wichtige Voraussetzung, um die dringend notwendigen neuen Stromautobahnen realisieren zu können“, so Hildegard Müller vom Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft. Die bisherige durchschnittliche Genehmigungszeit von acht bis zehn Jahren sei „einfach zu lang“.

Die heute wichtigste Methode der Stromübertragung sind die bekannten Freileitungen – mit rund einer Million Euro pro Kilometer Doppelleitung auch die billigste Möglichkeit. Insgesamt 110.000 Kilometer dieser Höchstspannungs-Trassen durchziehen Europa. Die hohen Masten sind unübersehbar – und damit Grund für mäßige Akzeptanz. „Weder der massive Eingriff in die Natur und Landschaft noch die Kosten für die Stromkunden, die die Leitung bezahlen müssten, sind vertretbar“, beschwert sich zum Beispiel ein Gutachten zu der geplanten 380 Kilovolt-Verbindung von Südthüringen nach Oberfranken, das von Landräten, Bürgermeistern und Bürgerinitiativen der betroffenen Gemeinden in Auftrag gegeben wurde. Um den bis 2020 in den neuen Bundesländern an Land zu erwartenden Windstrom vom Vattenfall-Gebiet im Nordosten in die E.ON-Zone nach Bayern zu bringen, sei es statt des vorgesehenen Neubaus einer 60 Kilometer langen Freileitung kostengünstiger, die bestehende Leitung durch Hochtemperaturseile und Leitungs-Monitoring aufzurüsten – Ergebnisse, die allerdings Netzbetreiber und Dena zurückweisen.



Das Höchstspannungsnetz transportiert Strom über weite Strecken (Foto: EnBW/Bernd Franck)

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Hochtemperaturseile sind zwar teurer als normale Leitungen, können jedoch höhere Temperaturen und damit höhere Übertragungsleistungen verkraften. Zurzeit laufen dazu Pilotversuche. Allerdings steigen mit stärkerem Strom auch die Verluste deutlich an – was ebenso für das Leiterseil-Monitoring gilt: Wird die Leitertemperatur ständig kontrolliert, kann man kaltes Wetter ausnutzen, um mehr Strom zu transportieren.

Unauffälliger, aber vier- bis zehnmal teurer als Freileitungen sind in der Erde verlegte Stromkabel. Während des Baus sind die Eingriffe in Natur und Landschaft zwar erheblich; danach ist jedoch – abgesehen von einem Schutzstreifen, der nicht überbaut werden darf – nicht mehr viel zu sehen. Erdkabel bis 110 bzw. auch 220 Kilovolt sind heute Standard. Mit 380-Kilovolt-Kabeln hat man dagegen noch wenig Betriebserfahrung, erläutert die Energietechnische Gesellschaft im VDE (ETG) in einer Übersicht zur „Übertragung elektrischer Energie.



HGÜ-Ventile wandeln Wechsel- in Gleichstrom um und umgekehrt (Foto: ABB/transpower)
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Zum Transport über große Distanzen wird Hochspannungsgleichstrom-Übertragung (HGÜ) interessant: Die sonst übliche Wechselspannung wird von Umrichtern am Leitungsanfang in Gleichstrom umgewandelt, am Ende wieder zurück in Wechselstrom. Vorteil sind die niedrigen Übertragungsverluste, die ab etwa tausend Kilometer Leitungslänge die hohen Kosten und Verluste der Umrichter mehr als kompensieren. „Bei Offshore-Anwendungen sind HGÜ-Seekabel in der Regel schon aus technischen Gründen die alleinige Lösung“, so die ETG. Weil zusätzliche Stromrichter und spezielle Schalter nötig werden, sind jedoch Verzweigungen nicht einfach. Wie dennoch Gleichstromnetze möglich werden könnten, wird zurzeit untersucht.

Seit drei Jahren läuft die Fortsetzung der Dena-Netzstudie. Sie soll zeigen, wie der bis 2025 angestrebte 30-prozentige Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromversorgung – darunter 20 Gigawatt Offshore-Windstrom – in das Netz integriert werden kann.

imi