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Ausgabe 02/2019
Photovoltaik

Strom aus Balkonien       

Laut einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey liegt Deutschland beim sogenannten „Energiewendeindex“ im Vergleich mit 30 Ländern weltweit nur auf Platz 16. Um den Anteil erneuerbarer Energien am Strommix zu steigern, machen sich seit geraumer Zeit verschiedene Organisationen, allen voran die Deutsche Gesellschaft für Solarenergie (DGS) und Greenpeace Energy – eine von der Umweltschutzorganisation Greenpeace gegründete, rechtlich und wirtschaftlich unabhängige Energiegenossenschaft – dafür stark, auch Mietern und Kleingärtnern dezentrale Energieproduktion zu ermöglichen.


Photovoltaik-Anlagen lassen sich ...
(Foto: Indielux)

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Nach der Devise „Jedem Wohnungs­eigen­tümer sein eigenes Minikraftwerk auf dem Balkon“ könnten Photovoltaik-Module an Balkongeländern und Hauswänden montiert und mit einem Wechselrichter über eine Schukosteckdose an das heimische Netz angeschlossen werden. Bislang durften solche Anlagen nur von Elektroinstallateuren aufgestellt und beim Netzbetreiber ange­meldet werden (siehe Energie-Perspektiven 1/2015). Jetzt wurden diese Hürden gesenkt. Mit Wirkung zum 27. April 2019 wurde die dafür zuständige Norm VDE-AR-N 4105 novelliert. Sie erlaubt es nunmehr auch Privatleuten, Steckdosen-Solarmodule für den Eigenbedarf bis zu einer Gesamtleistung von 600 Watt mit einem einfachen Formular bei einem Netzbetreiber anzumelden.


... in die Architektur von Wohnhäusern ...
(Foto: Energie­agen­tur Kreis Konstanz)

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Mit einer Solaranlage von etwa 500 Watt Peak-Leistung ließen sich übers Jahr rund 15 Prozent des Strombedarfs eines Vier­personen­haus­halts decken, zu etwa 8 Cent pro Kilowattstunde. Sollte mehr erzeugt werden, als gerade verbraucht wird – zum Beispiel, weil man im sonnenreichen Juni 2019 verreist ist – so muss der Strom abgeregelt werden. Dafür müssen die Stromzähler über eine Rücklaufsperre verfügen. „Die Speicherung überschüssiger Energie auf Akkus lohnt sich im Allgemeinen nicht“, erklärt Michael Friedrich, der Pressesprecher von Greenpeace Energy. „Es gibt allerdings Netzbetreiber, die die Einspeisung ins allgemeine Stromnetz erlauben und dafür einen Zweirichtungszähler anbieten.“ Vergütet wird der Strom nicht, dafür entfallen aber auch EEG-Umlage und Netzsteuer, denn Anlagen mit Leistungen von weniger als 10 Kilowatt gelten nicht als gewerbliche EEG-Anlagen.


... unterschiedlicher Baustile integrieren. (Foto: Infinitum Energie)

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Mittlerweile gibt es im Handel eine Vielfalt solcher „Steckdosen-PV-Anlagen“. Ihre Installation muss allerdings vom Vermieter bzw. der Eigentümergemeinschaft genehmigt werden. Bei vielen Modellen sind die Wechselrichter, die den photovoltaisch erzeugten Gleichstrom in Wechselstrom geeigneter Frequenz umwandeln, bereits fest mit dem Solarmodul verbunden, andere werden als Bausätze zur Selbstmontage geliefert. „Bei den neuen Wechselrichtern sind die hohen Sicherheits­standards, die durch die Norm VDE-AR-N 4105 vorgegeben werden, bereits technisch implementiert. Sie schalten sich sofort ab, wenn eine Sicherung ausfällt oder kein Strom mehr fließt“, betont Friedrich.

Für den einzelnen amortisieren sich die Kosten der Photovoltaik-Anlagen nach rund zehn Jahren. Eine größere Verbreitung könnte aber erhebliche Folgen für die zukünftige Energiewirtschaft haben, betont Michael Friedrich: „Derzeit sind in Deutschland erst ca. 40.000 solcher Balkon-Solaranlagen installiert. Bei Millionen von Haushalten würde sich die erzeugte Strommenge auf einige Gigawatt summieren.“

DGS und Greenpeace sehen mit der Norm-Novellierung erst ein Etappenziel erreicht, mit dem Deutschland EU-Vorgaben erfüllt, die bereits seit längerem in Portugal, Österreich, Luxemburg und der Schweiz gelten. Beide Organisationen arbeiten daran, dass PV-PlugIn-Anlagen – so wie in Luxemburg – bis zu Peak-Leistungen von 800 Watt gänzlich von der Anmeldepflicht befreit sind.  

Olivia Meyer-Streng