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Ausgabe 02/2016
Klimaschutz

Treibhausgas zu Stein verwandeln       

Jedes Jahr pustet die Menschheit gewaltige Mengen Kohlendioxid in die Atmosphäre – mit massiven Folgen für das Klima. Allein im Jahr 2014 waren es durch Verbrennung von Kohle, Öl und Gas sowie Zement-Herstellung gut 35 Milliarden Tonnen. Um die Erderwärmung einzu­dämmen, wurde vorgeschlagen, große Mengen des Treibhausgases unterirdisch zu lagern, eingepresst in poröse Gesteinsschichten (siehe Energie-Perspektiven 4/14). Allerdings ist dies eher unrentabel und stößt auf Sorgen in der Bevölkerung. Denn die Speicher müssten für Jahrtausende dicht bleiben. Nun stellten Forscher im Fachblatt „Science“ ein neues Verfahren vor.


Das Geothermie­Kraftwerk Hellisheidi (Foto: Árni Sæberg)

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Ein internationales Wissenschaftlerteam um Juerg Matter von der englischen Universität Southampton testete im Rahmen des Carbfix-Projekts in Island ein Verfahren, bei dem das Kohlendioxid in Basalt-Gestein mineralisiert und Karbonate bildet: „Basalt ist sehr reaktionsfreudig und eine der häufigsten Gesteinsarten der Erde“, schreiben die Autoren. Es enthält viel Kalzium, Magnesium und Eisen – Elemente, die mit dem Kohlendioxid Karbonate bilden können und so für eine dauerhafte Bindung des Gases sorgen.

Das nahe der Hauptstadt Reykjavik gelegene Geothermie­-Kraftwerk Hellisheidi produziert pro Jahr etwa 40.000 Tonnen Kohlendioxid. Ab 2012 lösten die Forscher 250 Tonnen davon in Wasser und leiteten das Gemisch dann in eine 400 bis 800 Meter tiefe poröse Basaltschicht ein. Um das Schicksal des Gases zu verfolgen, reicherten sie es mit einem Tracer, dem Kohlenstoff-Isotop 14, an. Dann untersuchten sie die Zusammensetzung des Wassers an mehreren Probebohrungen.


Bohrkern aus der Basaltschicht.
(Foto: Annette K. Mortensen)

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Das Ergebnis: Nach der Injektion sanken die Kohlendioxid- und Tracer-Konzentrationen deutlich. Daraus berechnet das Team, dass zwischen der Injektionsstelle und den Probebohrungen binnen zwei Jahren mehr als 95 Prozent des Kohlendioxids mineralisierten. Weitere Bohrungen bestätigten, dass das eigentlich tiefdunkle Basaltgestein weißliche Karbonat-Adern enthielt. „Einmal in Karbonat-Mineralien gelagert, entfällt das Risiko des Entweichens, und die Kontrollprogramme für die Lagerstätte können deutlich reduziert werden, was die Sicherheit und möglicherweise auch die öffentliche Akzeptanz fördert“, sagen die Forscher. Voraussetzung sei das Vorhandensein von Basaltgestein und ausreichend Wasser – pro Tonne Kohlendioxid etwa 25 Tonnen Wasser.

Das an der Studie beteiligte Unternehmen Reykjavik Energy nutzt das Verfahren inzwischen stärker. Projektleiterin Edda Aradottir erwartete anfangs, dass der Prozess der Mineralisierung acht bis zwölf Jahre dauern würde. „Dann ging es viel schneller“, sagt sie, „eine sehr willkommene Überraschung“. Die Kosten, so Aradottir, lagen bei 30 Dollar pro Tonne Kohlendioxid im Vergleich zu 130 Dollar für die herkömmliche Verpressung. Seit 2014 hat das Unternehmen die Menge auf jährlich 5.000 Tonnen Kohlendioxid gesteigert und will ab diesem Sommer nochmals verdoppeln.


Mit Probebohrungen wird die Ausbreitung des Kohlendioxid in der Tiefe beobachtet. (Foto: Dr. Juerg Matter)

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In Mitteleuropa allerdings, erläutert Franz May von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover, ließe sich die Methode kaum anwenden. In Deutschland zum Beispiel gibt es kaum geeignete Basalt­vorkommen. Auch Axel Liebscher von GeoForschungsZentrum in Potsdam glaubt, dass der Standort auf Island Idealbedin­gungen für das neue Verfahren biete – neben dem passenden Basaltgestein auch reichlich Wasser. Im Binnenland seien solche Mengen Wasser eher schwierig: „Im kleineren Maß­stab scheint das wunderbar zu klappen, aber ob es sich auch für eine großindustrielle Anwendung eignet, muss noch gezeigt werden“.

Unabhängig von der Methode lohne sich die Einlagerung von Kohlendioxid zu den derzeitigen Preisen des Zertifikatehandels nicht, sagt May. Die Wirtschaftlichkeit hänge allerdings auch von Betrachtungswinkeln ab: Preise man die Schäden durch witterungsbedingte Extremereignisse ein, könne die Rechnung anders aufgehen. Aber selbst dann, so betont May, bestehe eine gewaltige Kluft zwischen den enormen Kohlendioxid-Emissionen weltweit und den Einlagerungen.

Dennoch: Die meisten Klimamodelle, die bis zum Jahr 2100 das von den Vereinten Nationen anvisierte Zwei-Grad-Ziel anstreben, gehen davon aus, dass in der zweiten Jahrhunderthälfte der Atmosphäre mehr Kohlendioxid entzogen werden muss als neu eingebracht wird. „Wir werden ein Portfolio unterschiedlicher Technologien haben“, so Liebscher: „Am Ende muss man für jede Region abwägen, welche Lösung am sichersten und am wirtschaftlichsten ist.“   

Walter Willems


Quelle:

Matter, Juerg M. et al.: Rapid carbon mineralization for permanent disposal of anthropogenic carbon dioxide emissions. In: Science, 10.6. 2016, Band 352, Ausgabe 6291, Seite 1312 - 1314.




 

Das Carbfix-Projekt