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Ausgabe 02/2021
Kernspaltung

Kleine Kernkraftwerke

Während Deutschland seine Atommeiler stilllegt, planen andere Länder ganz besondere: Kleine Modulare Reaktoren – Small Modular Reactors, kurz SMR. Zum Beispiel möchte China noch in diesem Jahr einen kleinen Kugelhaufenreaktor in Betrieb nehmen. Auch Argentinien baut derzeit einen Zwerg-Atommeiler.


Schwimmendes Kernkraftwerk in der Tschuktschensee
(Foto: TuomoS, CC BY-SA 4.0)

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Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) listet über 70 verschiedene SMR aus rund 20 Ländern auf, die eröffnet, im Bau, überwiegend aber in Planung sind. Die Teile für diese kleinen Kraftwerke sollen einmal in Fabriken gebaut, zu einem beliebigen Ort transportiert und dort zusammengesetzt werden – daher der Name modular. Fernziel ist die Serienproduktion. „Die einzigartigen Eigenschaften der SMR in Bezug auf Effizienz, Flexibilität und Wirtschaftlichkeit könnten sie in die Position bringen, eine Schlüsselrolle in der Wende zu sauberen Energien zu spielen“, sagt der Leiter für Kerntechnik-Entwicklung bei der IAEA, Stefano Monti.

Der erste SMR ist – als schwimmendes Kraftwerk – mit 70 Megawatt Leistung im Mai 2020 in Russland in Betrieb gegangen und im äußersten Nordosten nahe der Stadt Plewek in der Tschuktschensee verankert. Der zweite SMR soll dieses Jahr in China den Betrieb aufnehmen: Im Hochtemperatur-Kugelhaufenreaktor HTR-PM ist Uran in etwa tennisballgroßen Graphitkugeln verpackt – das Prinzip hatte bereits das Versuchskernkraftwerk Jülich. Bei dieser Reaktorart gebe es zwar keine Kernschmelze, aber andere Störfälle, sagt Rainer Moormann, der lange in Jülich gearbeitet hat. Zudem habe der Reaktor in China keinen äußeren gasdichten Sicherheitsbehälter. „Das würde in Europa nicht mehr genehmigt werden.“


Entwurf für ein 470-Megawatt-SMR
(Grafik: Rolls-Royce SMR)
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Als dritter kleiner Meiler soll 2023 in Argentinien der Druckwasserreaktor Carem-25 ans Netz gehen. In Europa haben unter anderem Frankreich, Großbritannien und Estland SMR-Pläne. Für Estland wäre es das erste Atomkraftwerk überhaupt. Wie viele andere Länder möchte es damit leichter auf Kohlestrom verzichten können.

Auch kleine Kraftwerke könnten bei Unfällen recht viel radioaktives Material freisetzen, sagt Edwin Lyman, Atomkraftexperte der Organisation Union of Concerned Scientists. Allerdings hätten die meisten SMR Elemente für eine passive Kühlung, die keine Stromzufuhr etwa für Wasserpumpen benötigt: „Einige werden sogar so konstruiert, dass sie in der Lage sind, einen Fukushima-ähnlichen Verlust der Stromversorgung für lange Zeit zu überstehen“.

„Ein Problem ist, dass Strom von SMR teurer sein wird als Strom von größeren Reaktoren, daher versuchen Anbieter die Kosten zu reduzieren, indem sie bei der Sicherheit sparen“, befürchtet Lyman. Der Wirkungsgrad von meist 30 bis 35 Prozent und auch der Atommüll pro Kilowattstunde seien bei kleinen Reaktoren ähnlich hoch wie bei den herkömmlichen, sagt der Atomenergie-Experte Walter Tromm vom Karlsruher Institut für Technologie. Die SMR müssten erst noch zeigen, dass sie kostenmäßig attraktiv seien. Sie könnten von Vorteil sein, wenn es standardisierte Lizenzverfahren in allen Ländern gäbe. „Aber wir sind selbst in Europa von standardisierten Lizenzen weit entfernt.“

Simone Humml, dpa