Geotechnik – Experimente mit ungewissen Folgen
Mit der Senkung des weltweiten Kohlendioxid-Ausstoßes geht es kaum voran. Deshalb werden auch andere Mittel gegen den Klimawandel erforscht: Geoengineering, d.h. technische Eingriffe in geochemische Kreisläufe.
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Vulkanausbrüche können das Klima beeinflussen (Foto: Panthermedia)
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Zwei Hauptansätze gibt es: die Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre oder die Beeinflussung der Strahlungsbilanz. Zu letzterem diskutieren zwei Forscherinnen im Fachmagazin „Science“ das Einbringen von Schwefelverbindungen in die Stratosphäre – eine Idee des Nobelpreisträgers Paul Crutzen. Der Effekt ist von Vulkanausbrüchen bekannt, bei denen gewaltige Mengen Schwefel in die Atmosphäre geschleudert werden. Dort wandelt sich Schwefeldioxid in Sulfat-Partikel um, die einen Teil der Sonnenstrahlung zurück ins All reflektieren. In der Folge kann die mittlere Erdtemperatur deutlich sinken.
„Um den globalen Temperaturanstieg in Schach zu halten, müsste der jährliche Schwefeleintrag in die Stratosphäre dem beim Ausbruch des Pinatubo am 12. Juni 1991 entsprechen“, schreiben Ulrike Niemeier vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg und Simone Tilmes vom National Center for Atmospheric Research in Boulder, USA. Damals gelangten schätzungsweise 20 Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die obere Atmosphäre: Dies senkte die mittlere Jahrestemperatur am Erdboden zeitweise um etwa 0,5 Grad. Das Verfahren „könnte als letzter Ausweg gesehen werden, um den Schweregrad von Klimawandel-Effekten wie Hitzewellen, Überschwemmungen und Meeresspiegelanstieg abzumildern“.
Die geschätzten Kosten für den Schwefeltransport in die Stratosphäre liegen für ein Grad Kühlung bei 20 Milliarden US-Dollar jährlich. 6700 Flüge täglich seien nötig und zwar über etliche Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte. Zusätzliche Kosten entstünden, um Veränderungen in der Atmosphäre, etwa der Aerosol-Verteilung oder der Temperatur, zu überwachen. Auch Kompensationszahlungen für mögliche Nebeneffekte müssten veranschlagt werden.
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Zirrus- oder Federwolken (Foto: Deutscher Wetterdienst)
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Mit technisch beeinflusster Wolkenbildung beschäftigt sich ein „Science“-Beitrag von Ulrike Lohmann und Blaz Gasparini von der Technischen Hochschule Zürich: Hochliegende Eiswolken, sogenannte Zirruswolken, halten mehr langweilige Wärmestrahlung auf der Erde zurück als eine wolkenfreie Atmosphäre. „Der Einfluss auf das Klima entspricht daher dem von Treibhausgasen.“ Je höher eine Zirruswolke liege und je dicker sie sei, desto größer der Effekt. Da die Eiswolken sich bei wärmerem Klima in größerer Höhe bildeten, verstärke sich dieser Mechanismus fortlaufend selbst. Technische Maßnahmen könnten also darauf abzielen, Zirruswolken auszudünnen und so durchlässiger zu machen für die von der Erde abgehende Wärmestrahlung. So könnte man mit dem Einsäen von Eiskeimen dafür sorgen, dass in den Zirruswolken weniger, aber größere Eispartikel entstehen, die schneller herabfallen. Noch allerdings seien viele Fragen offen, betonen die Autoren. „Nach derzeitigem Stand sollte die Zirruswolken-Ausdünnung lediglich als Gedankenexperiment gesehen werden, das dabei hilft, die Bildung der Eiswolken zu verstehen.“
All diese Methoden würden nur die Symptome bekämpfen, nicht aber die Ursache, mahnen Janos Pasztor, Cynthia Scharf und Kai-Uwe Schmidt von der Carnegie Climate Geoengineering Governance Initiative in New York in „Science“. Ohne Reduktion der Treibhausgas-Emissionen und -Konzentrationen würden solche Verfahren „künftige Generationen zwingen, damit über Jahrhunderte weiterzumachen.“ Außerdem: Wie sollen die Regierungen der Welt entscheiden, ob die potenziellen globalen Vorteile von Geoengineering die Risiken in einzelnen Regionen wert sind? Wie sind grenz- und generationenübergreifende Maßnahmen zu bewerten? Wie können Regulierungsvereinbarungen geopolitischen Veränderungen über Jahrzehnte oder länger standhalten? Noch sei die politische Weltgemeinschaft weit von den Antworten entfernt, so das Fazit der Experten.
Annett Stein
Originalveröffentlichungen:
- Janos Pasztor, Cynthia Scharf, Kai-Uwe Schmidt: How to govern geoengineering? In: Science, 21. Juli 2017, Band 357 (6348), Seite 231, DOI: 10.1126/science.aan6794
- Ulrike Niemeier, Simone Tilmes: Sulfur injections for a cooler planet. In: Science, 21. Juli 2017, Band 357 (6348), Seite 246 - 248, DOI: 10.1126/science.aan3317
- Ulrike Lohmann, Blaž Gasparini: A cirrus cloud climate dial? In: Science, 21. Juli 2017, Band 357 (6348), Seite 248 - 249, DOI: 10.1126/science.aan3325