Oben Strom, unten Kartoffeln
Thomas Schmid steht auf seinem Feld und schaut sich den Winterweizen an. Wie sich die Pflänzchen entwickeln, wird der Landwirt genau beobachten und mit ihm Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg. Denn der Weizen ist Teil eines Pilotprojekts. Über den Pflänzchen ist in fünf Metern Höhe eine riesige Solaranlage angebracht. Die Idee: Über dem Acker soll Energie erzeugt und am Boden Weizen, Kartoffeln, Kleegras und Sellerie geerntet werden.
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Landwirtschaft unter dem Kollektor: Pilotanlage Heggelbach (Foto: Fraunhofer ISE)
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Die Versuchsfläche in Herwangen umfasst rund 2,5 Hektar, wovon die Forschungsanlage etwa ein Zehntel beansprucht. Zum Vergleich werden auf der restlichen Fläche die gleichen Pflanzen angebaut, aber ohne Solarpaneele. Gefördert wird der Versuch vom Bundesforschungsministerium mit 2,8 Millionen Euro.
Die Stromerzeugung liege derzeit im grünen Bereich, sagt ISE-Projektleiter Stephan Schindele. Für den Test wurden sogenannte bifaziale Module verwendet. Sie können nicht nur die Sonneneinstrahlung von oben in Strom umwandeln, sondern über die Rückseite auch reflektierte Strahlung aufnehmen. „Derzeit haben wir acht Prozent mehr Stromertrag als bei herkömmlichen Modulen. Das ist ein Ergebnis, mit dem wir zufrieden sind.“ Für Thomas Schmid von der Hofgemeinschaft Heggelbach ist aber ebenso wichtig, dass die Landwirtschaft unter den Solarpaneelen möglichst störungsfrei funktioniert. Als die Forscher mit der Projektidee auf sie zugekommen seien, hätten sie erstmal diskutiert: Was für Folgen hat das für die Pflanzen, behindert uns das bei der Arbeit?
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Wichtig bei der Agrophotovoltaik ist der Lichteinfall. (Foto: Fraunhofer ISE)
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Auch die Wissenschaftler mussten einige Fragen klären: Ist die Anlage sturm- und hagelfest, welche Kulturen kann man darunter anbauen und wie wirken sich Schatten und Niederschlag aus? Was die Bauern nach einem guten halben Jahr Test sagen können: Beeinträchtigungen gibt es, vor allem beim Befahren des Ackers mit dem Traktor. „Die Stützen erzeugen Mehraufwand“, sagt Stephan Schindele. „Aber das ist auch legitim, der Landwirt hat ja auch einen Mehrnutzen“. Denn die installierte Anlage kann den Strombedarf von rund 62 Haushalten decken.
Naturschützer beobachten das Projekt mit Wohlwollen. Die doppelte Nutzung der landwirtschaftlichen Fläche – oben Energie, unten Gemüse – könnte langfristig gesehen gegen den Flächenverbrauch helfen. „Uns ist eine Solaranlage darüber allemal lieber als Mais für Biogasanlagen auf dem Feld“, sagt der baden-württembergische Landesvorsitzende des Naturschutzbundes Nabu, Johannes Enssle. Zudem berge im Vergleich zur Solarenergie die Windkraft deutlich mehr Konfliktpotenzial – etwa beim Blick auf den Artenschutz.
Langfristig sei das Ziel, dass die Agrophotovoltaik als eine weitere Technik im Bereich der erneuerbaren Energien anerkannt wird, sagt Stephan Schindele. Dadurch könnte die neue Technologie auch förderberechtigt werden und werde damit für Landwirte wirtschaftlich interessant. „Dann kann ich mir sehr gut vorstellen, dass Stadtwerke in Kooperation mit Landwirten vor Ort lokal, dezentral die Stromerzeugung in die Hand nehmen.“
dpa