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Ausgabe 04/2013
Windenergie

Ökobilanz für Offshore-Windpark   

Seit drei Jahren produziert der erste deutsche Offshore-Windpark alpha ventus grünen Strom (siehe Energie-Perspektiven 2/2010). Nun liegen eine Umweltstudie und eine Ökobilanz vor. Fazit: alpha ventus beeinträchtigt die Meeresumwelt nicht und hat sich nach einem Jahr energetisch amortisiert.


Deutschlands erster Hochsee-Windpark "alpha ventus" (Foto: Alpha-Ventus)

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Ende Oktober präsentierte das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) die Ergebnisse einer fünfjährigen ökologischen Begleitstudie zu Aufbau und Betrieb von alpha ventus. Das Amt entscheidet über die Zulassung von Offshore-Windparks innerhalb der deutschen 200-Meilen-Zone von Nord- und Ostsee und entwickelt unter anderem Richtlinien für Umweltverträglichkeits-prüfungen. Diese untersuchen mögliche Auswirkungen auf Meeressäuger, Zugvögel, Fische und das Leben am Meeresboden. Ziel des Forschungsprojekts StUKplus war neben einem besseren Verständnis der möglichen Umweltauswirkungen von Offshore-Windparks die Weiterentwicklung der geltenden Standards. Wichtigstes Ergebnis aus Sicht des zuständigen BSH-Referenten Dr. Nico Nolte ist eine „verbindliche Richtlinie zur Durchführung der Unterwasserschallmessungen“. Mit dieser Messvorschrift lässt sich systematisch kontrollieren, ob die Grenzwerte für die Lautstärke unter Wasser eingehalten werden. Dies soll die Schweinswale beim Rammen der Fundamente vor Baulärm schützen. Bisher wurde die Vorgehensweise für die Messungen für jeden einzelnen Windpark festgelegt. Weitere Messungen wie das Monitoring von Seevögeln wurden aufgrund der Studie ebenfalls auf andere Technologien umgestellt.


"alpha ventus" wurde als Testfeld geplant (Foto: Alpha-Ventus)
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Das Meer rund um alpha ventus lebt: Kollisionen mit Vögeln wurden während des gesamten Projektzeitraums nicht beobachtet – manche Vögel erkunden den Park, während andere die Rotoren meiden. Die Fundamente der Windenergieanlagen wirken wie künstliche Riffe, an denen sich Muscheln, Seeanemonen und Seesterne ansiedeln. In der Folge fanden sich auch neue Fischarten wie Seebull, Makrele und Leierfisch ein. „Offen ist in dieser Hinsicht die kumulative Auswirkung mehrerer Windparks in einem größeren Seegebiet. Hier gibt es noch Forschungsbedarf“, erläutert Nolte die Erkenntnisse.

Im November berichtete die Ruhr-Universität Bochum über eine Ökobilanz zu alpha ventus. Prof. Hermann-Josef Wagner vom Lehrstuhl für Energiesysteme und Energiewirtschaft nahm damit 2010 erstmals weltweit den Energie- und Materialeinsatz für einen Offshore-Windpark sowie die dadurch verursachten Emissionen unter die Lupe. Die Bilanz betrachtete neben den Windenergieanlagen die Fundamente, die Verkabelung, die Umspannwerke an Land und auf See sowie die Seekabel. Wichtigstes Ergebnis: In nur einem Jahr liefert alpha ventus mehr Energie, als zu seiner Herstellung, zum lebenslangen Betrieb und zum Rückbau verbraucht wird. Die aktuellen Daten zeigen: 2011 und 2012 produzierte der Windpark mit jeweils 267 Gigawattstunden sogar mehr Strom, als Wagner in seiner Studie angenommen hatte – ein Plus, das in wartungsintensiven Betriebsjahren kleiner ausfallen wird.

In einem ähnlichen Verhältnis zur erzeugten Strommenge steht auch die Menge der insgesamt emittierten Treibhausgase. Gut drei Viertel der Energie wird bei der Herstellung des Windparks verbraucht, davon entfallen etwa 20 Prozent auf Umspannwerke und Seekabel, der Rest steckt in den Windenergieanlagen und ihrer Verkabelung. Rund 20 Prozent des gesamten Energieverbrauchs entfällt auf die Betriebszeit des Windparks und wird im Wesentlichen durch Schifffahrten und Flüge zur Wartung verursacht. Im Vergleich mit dem deutschen Strommix, der zu 16 Prozent aus Kernkraftwerken, zu 23 Prozent aus erneuerbaren Quellen und zu gut 60 Prozent aus fossilen Kraftwerken stammt, fallen für Windstrom von hoher See weniger Umweltgifte an. Nur bei der Emission gesundheitsschädlicher Stoffe schneidet Offshore-Windstrom weniger gut ab – der Grund: Stahl. Die 300 Tonnen schweren Windkraftanlagen bestehen zu rund 87 Prozent aus Stahl, bei dessen Herstellung eben jene humantoxischen Stoffe entstehen. Auch im Energieverbrauch zeigt sich: Stahl ist, wie Wagner sagt, „der dicke Brummer in der Ökobilanz“.

Christine Rüth