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Ausgabe 02/2010
Klimaschutz

Schiefe Bilanzen

Die Konsumenten in den USA, Deutschland und vielen weiteren reichen Ländern sind für mehr Treibhausgas-Emissionen verantwortlich als bislang berechnet, so eine Analyse von Steven Davis und Ken Caldeira von der Carnegie Institution in Stanford, USA. Denn: In die bisherige Kalkulation geht immer nur jene Kohlendioxid-Menge ein, die innerhalb der Landesgrenzen frei wird. Strom und Öl, die etwa in China für die Produktion einer deutschen Bestellung verbraucht werden, belasten nicht die deutsche, sondern die chinesische Klimabilanz. International wurde so 2004 – neuere Zahlen lagen den Forschern nicht vor – fast ein Viertel des Kohlendioxid-Ausstoßes ausgelagert. „Einige Länder, etwa die Schweiz, verlagern mehr als die Hälfte ihrer Kohlendioxid-Emissionen“ , so die Wissenschaftler.


Die zehn größten Kohlendioxid-Importeure der Welt (Daten: PNAS, Grafik: IPP)

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Caideira und Davis haben Daten über Warenströme aus 57 Industriesektoren und 113 Ländern gesammelt und in ein Computermodell übertragen. Darin ließen sich verschiedenen Produktionszweigen Kohlendioxid-Mengen zuordnen, um Im- und Exporte des Treibhausgases zu berechnen: „Wo das Kohlendioxid freigesetzt wird, ist für das Klima egal“, erklärt Davis. Für die Autoren steht fest, dass diese Daten in die Vereinbarungen zum Klimaschutz einbezogen werden müssen.

Der neuen Kalkulation zufolge ist China mit weitem Abstand der größte Kohlendioxid-Exporteur: Rund 1,1 Milliarden Tonnen stößt das Land aus, weil Waren und Dienstleistungen für andere Staaten erbracht wurden. Auf Rang zwei steht Russland mit 0,286 Milliarden Tonnen. Demgegenüber stehen Länder, die besonders viel Kohlendioxid importieren. Rang 1 nehmen mit 0,699 Milliarden Tonnen die USA ein. Deutschland importiert 0,233 Milliarden Tonnen: Platz 4.

In der auf dem gesamten Konsum eines Staates beruhenden Rechnung von Davis und Caideira nehmen die USA den Spitzenplatz beim Ausstoß von Kohlendioxid ein. 2004 war das Land insgesamt für 6,4 Milliarden Tonnen Kohlendioxid „zuständig“. Es folgt China mit 3,9 Milliarden Tonnen. Dann kommen Japan (1,6 Milliarden), Indien (1,3 Milliarden), Russland (1,2 Milliarden) und auf Platz 6 Deutschland (1 Milliarde). Auf dem letzten Rang liegt der afrikanische Staat Malawi: 0,002 Milliarden.

Bereits 2007 hatte eine Gruppe um den Ökonom Dieter Heim an der britischen University of Oxford die Kohlendioxid-Bilanz Großbritanniens kritisiert: Das Land präsentiere sich mit guten Kohlendioxid-Zahlen. Dabei würden die auf Bestellung britischer Konsumenten anfallenden Emissionen in anderen Ländern unter den Tisch fallen gelassen. Wer das ins Ausland verlagerte Kohlendioxid berücksichtige, komme zu dem Schluss, dass der beeindruckende britische Kohlendioxid-Rückgang seit 1990 um 15 Prozent in Wahrheit ein Anstieg um 19 Prozent sei. Dies bedeute zugleich, dass die USA und Europa drastischere Schritte beim Klimaschutz einleiten müssten.

Ähnlich äußerte sich 2009 der Klima-Chefwissenschaftler der britischen Regierung, David MacKay gegenüber der BBC: Die britische Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen seit 1990 sei „eine Illusion“. „Unser Energie-Fußabdruck ist in den vergangenen Jahrzehnten größer geworden, vor allem deshalb, weil wir unsere Industrie exportiert haben.“ Nun fertigten viele Entwicklungsländer die Waren, die die Briten kaufen, besonders Indien und China.

Thilo Resenhoeft, dpa