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Ausgabe 02/2010 |
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Ausgabe 02/2010
Fossile Brennstoffe
Gasreserven im Tongestein
Wissenschaftler und Energiewirtschaft sind in Europa einer neuen Energiequelle auf der Spur – Erdgas in dichten Tonsteinen wie zum Beispiel Schiefer, genannt Shale Gas. Es entstand vor etwa 400 Millionen Jahren, als sich Schlamm aus abgestorbenen Organismen auf dem Meeresboden sammelte und unter steigendem Druck und Temperatur zu Tonschiefer wurde. Dabei bildete sich aus den organischen Stoffen Erdgas. Ein Teil davon wanderte in poröse Sandsteinschichten und formte die Reservoirs, aus denen heute Erdgas gefördert wird. Shale Gas dagegen blieb entweder in undurchlässigen Tonsteinpaketen gebunden oder in den Gesteinsporen gefangen. Es kann nicht wie konventionelles Gas frei aus dem Bohrloch strömen. Deshalb wird die Bohrung, sobald sie die gashaltige Schicht erreicht, umgelenkt und verläuft viele hundert Meter waagrecht weiter. Zusätzlich muss Wasser eingepresst werden, um Risse im Schiefer zu erzeugen. So wird das Gestein durchlässiger und das Gas entweicht besser. Erst seit dem Anstieg der Energiepreise lohnt sich dieser Aufwand. In den USA, wo besonders viel Shale Gas zu finden ist, stammen heute bereits zehn Prozent des geförderten Erdgases aus Tonsteinen. Experten schätzen die weltweiten Vorräte an Shale Gas auf 450 Billionen Kubikmeter. Das ist ungefähr soviel wie die 420 Billionen Kubikmeter, die uns noch an konventionellem Gas zur Verfügung stehen.
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Vorkommen von Shale Gas in Europa (Grafik: GFZ) | | |
Im Mai 2009 startete im Rahmen des von der Industrie geförderten Forschungsprojekts GASH (Gas Shales in Europe) eine Bestandsaufnahme möglicher Shale Gas-Vorkommen in Europa. Immerhin 14 Billionen Kubikmeter Gas könnten hier im Tonstein lagern, in etwa die gleiche Menge wie der konventionelle Gasvorrat. Untersucht werden derzeit Gebiete in Nord- und Südwestdeutschland, der südlichen Nordsee, Polen, Westfrankreich, Südengland und im Alpenraum. Der leitende GASH-Geologe, Dr. Hans-Martin Schulz vom GeoForschungsZentrum Potsdam, umreißt die Projektziele: „Zum einen soll eine Datenbank für Gesteinsvorkommen, in denen sich Shale Gas bilden kann, aufgebaut werden. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Einzelprojekten, die sich mit den grundlegenden Prozessen zur Shale Gas-Bildung beschäftigen. Sie untersuchen zum Beispiel verschiedene Gesteine und vergleichen sie mit dem Barnett Shale, dem bekanntesten Vorkommen in den USA“. Zwar gibt es in den USA Erfahrungen mit der neuen Erdgasform, aber die geologischen Gegebenheiten in Europa sind völlig anders. Tektonische oder geochemische Kriterien, die auf Shale Gas hinweisen, lassen sich nicht direkt übertragen.
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Fördern von normalem Erdgas und im Gestein gebundenem Shale Gas
(Grafik:
GFZ) |
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Die zehn Projektpartner aus der Öl- und Gasindustrie sind teilweise bereits auf dem Gebiet aktiv. In Polen etwa unternimmt der Ölfeldausrüster Schlumberger im Rahmen eines Joint Ventures mit der polnischen 3Legs plc. erste Probebohrungen. In Niedersachsen fahndet Exxon Mobile nach gashaltigen Tonsteinschichten. Erst vor kurzem hat sich das auf Shale Gas spezialisierte US-Unternehmen BNK Petroleum Bohrrechte in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Thüringen gesichert.
Die Aktivitäten werden kritisch beobachtet: Die Energy Watch Group, ein internationaler Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Parlamentariern, präsentierte kürzlich eine Studie zum Thema. Darin prangert der Energieexperte Werner Zittel den Flächenverbrauch und vor allen Dingen den hohen Grundwasserbedarf für den Abbau von Shale Gas an. Ein Umstand, den auch Schulz bestätigt: „In den USA wird Shale Gas in wenig besiedelten Gebieten gefördert und der Wasserverbrauch ist in der Tat hoch. Für Europa müssten, vorausgesetzt man findet wirtschaftlich realisierbare Shale Gas-Vorkommen, entsprechend verträglichere Abbautechniken entwickelt werden“.
Christine Rüth
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