Endlager gesucht
Anfang 1999 gründete das Bundesumweltministerium den „Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte“ (AkEnd). Unabhängig von der unterschiedlichen Haltung der einzelnen Mitglieder zur Kernenergie sollte er ein Verfahren entwickeln, mit dem sich ein bestmöglicher Standort zur sicheren Endlagerung radioaktiver Abfälle in Deutschland finden lässt. Über den im Dezember 2002 vorgelegten Abschlussbericht sprach Olivia Meyer mit AkEnd-Mitglied Heinz-Jörg Haury vom GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in Neuherberg bei München.
Energie-Perspektiven: Deutschland braucht ein Endlager für radioaktive Abfälle. Der AkEnd hatte das Mandat, Verfahren für eine Standortauswahl zu entwickeln. Wurde dieses Ziel erreicht?
Haury: Der AkEnd hat sich auf ein Verfahren geeinigt, das in mehreren Schritten sukzessive die Entscheidung über einen Standort herbeiführen soll. Wir haben harte Kriterien formuliert, die zum Ausschluss von Regionen führen können. Dies betrifft sowohl geologische Verhältnisse wie seismische Aktivität als auch sozialwissenschaftliche Aspekte, zum Beispiel Naturschutzgebiete oder ökonomische Verhältnisse. Wir haben aber auch Kriterien aufgestellt, die eine Abwägung erlauben, falls zwei Standorte in Frage kommen.
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Die Umfrageergebnisse zeigen das Dilemma: Ein Endlager ist nötig, aber in der eigenen Region unerwünscht (Grafik: BfS) |
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Energie-Perspektiven: Nach der Vorgabe des BMU soll es ein einziges Endlager geben, in dem schwach-, mittel- und stark radioaktive Abfälle entsorgt werden. Haben Sie sich im AkEnd bei Ihren Untersuchungen auf diese Option beschränkt?
Haury: Wir haben auch Alternativen wie die Entsorgung im Weltraum geprüft, haben sie aber verworfen. Allerdings könnte es von Vorteil sein, für schwach- bzw. hochradioaktiven Müll verschiedene Endlager zu haben. Wir haben den Weg vorgeschlagen, ein Endlager zu finden, egal, ob es sich um ein einziges oder mehrere handelt.
Energie-Perspektiven: Wie wurde die Öffentlichkeit in Phase I einbezogen?
Haury: Der AkEnd hat monatlich Gespräche mit einzelnen Gruppen geführt. Wir haben zwei Zwischenberichte veröffentlich und drei Workshops veranstaltet. Die dort geäußerten Diskussionsbeiträge und Anregungen haben wir auch aufgegriffen, zum Beispiel, dass die Länder an dem Entscheidungsprozess mehr teilhaben müssen.
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Die Umfrageergebnisse (Grafik: BfS) |
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Energie-Perspektiven: In Phase II soll das Verfahren der Standortauswahl festgelegt werden. Gibt es überhaupt noch die Möglichkeit, den vom AkEnd vorgelegten Vorschlag zu verändern?
Haury: Wir empfehlen, dass eine vom Bundestag eingesetzte Verhandlungsgruppe, in der relevante gesellschaftliche Gruppen wie Gewerkschaften, Bürgerinitiativen und energieerzeugende Unternehmen repräsentiert sind, mit der Öffentlichkeit in Kontakt steht. Auch Einzelpersonen sollen die Möglichkeit haben, über Briefe oder Internet Kritik und Vorschläge einzubringen. Das ist weltweit einzigartig: selbst das Verfahren der Standortauswahl wird noch einmal in der Öffentlichkeit diskutiert. Phase II sollte sich aber nicht länger als ein bis zwei Jahre hinziehen.
Energie-Perspektiven: In Phase III wird dann – mit fest vereinbarten Regeln - die Suche nach einem Standort beginnen. Sind die geologischen Voraussetzungen für ein Endlager in Deutschland gegeben?
Haury: Alle Experten sind der Ansicht, dass es geeignete Plätze gibt. Aber auch Phase III ist noch immer entscheidungsoffen. Die Menschen in den betroffenen Regionen sollen die Möglichkeit haben, sowohl den ober- als auch den untertägigen Erkundungen zuzustimmen oder diese abzulehnen. Selbst nach den Erkundungen können sie noch ein Veto einlegen, bevor die Bundesregierung über den Standort entscheidet. Das war einer der Punkte, in dem es erst nach langen Diskussionen zu einem Konsens gekommen ist.
In dieser Phase wird es auch wichtig sein, der betroffenen Bevölkerung Kompetenz zur Seite zu stellen. Zum einen, um zu kontrollieren, ob alle Verfahrensschritte eingehalten werden. Zum andern, damit sich jeder, der Fragen hat, an einen Fachmann seines Vertrauens wenden kann. Geplant ist ferner, ein Strukturprogramm für die ausgewählte Region zu entwickeln. Die Menschen dort erfüllen eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, und es ist sinnvoll, dass sie auch eine wirtschaftliche Zukunft haben.
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Ein Einlagerungsfeld im Endlager Morsleben für schwach radioaktive Abfälle (Foto: BfS) |
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Energie-Perspektiven: Wann glauben Sie, wird es in Deutschland ein Endlager geben?
Haury: Durch die hohe Beteiligung der Bevölkerung von Anfang an wollen wir unter anderem langwierige Gerichtsverfahren vermeiden, die die Standortauswahl und die Fertigstellung eines Endlagers verzögern würden. Dennoch ist die Zielvorgabe von 2030 extrem ehrgeizig.
Für die Erkundungsphase müssen wir mindestens 15 Jahre rechnen, die Errichtung des Endlagers wird weitere zehn Jahre dauern. Wir werden dann möglicherweise vor dem Problem stehen, dass es zwar einen Standort gibt, aber keine kompetenten Fachleute mehr, um das Endlager zu bauen.
Olivia Meyer
Weitere Informationen:
Auswahlverfahren für Endlagerstandorte. Empfehlungen des AkEnd - Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte. Dezember 2002 (Download .pdf 1,6 MB)