Natürlicher Uranreaktor
Vor 60 Jahren erhielt Otto Hahn für die Entdeckung der Kernspaltung den Nobelpreis. Mit seiner sechs Jahre vorher gewonnenen Erkenntnis legte er die Grundlagen für heute weltweit 439 Kernkraftwerke. Die erste Kernspaltung auf der Erde fand jedoch wesentlich früher statt: Im Untergrund der Oklo-Mine im afrikanischen Gabun brannte vor zwei Milliarden Jahren ein natürliches atomares Feuer. Dort gab es damals so viel spaltbares Uran 235, dass im Gestein eine natürliche Kettenreaktion ablief – genau wie in einem Atomkraftwerk. Wie dieser Reaktor über etwa 150 000 Jahre hinweg funktionierte, haben Physiker um Alex Meshik von der Washington-Universität in St. Louis jetzt bei der Untersuchung von Gesteinsproben aus der Mine herausgefunden und im im Fachblatt "Physical Review Letters" publiziert.
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Die Oklo-Mine in Gabun. (Foto: François Gauthier-Lafayé) |
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Im Mittelpunkt steht das Uranisotop 235 – sowohl in Gabun als auch in einem von Menschen betriebenen modernen Kernkraftwerk. Wenn der Anteil von Uran-235 mehr als drei Prozent der gesamten Uranmenge ausmacht, kommt es darin zu einer sich selbst erhaltenden Kettenreaktion: Alles beginnt mit dem spontanen Zerfall eines Uran-Kerns. Eines der dabei freiwerdenden Neutronen wird von einem Uran-235 aufgenommen, es zerfällt in zwei Bruchstücke und setzt dabei wiederum zwei Neutronen frei. Diese erreichen zwei neue Uran-235-Kerne und spalten auch sie. Aus zwei Neutronen werden vier, dann acht, dann 16 Neutronen und so weiter. Bei dieser Kettenreaktion werden große Mengen Energie frei, mit der im Kraftwerk Wasser geheizt wird, um mit dem Dampf Turbinen zu treiben.
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Probenentnahme und geologische Kartierung (Foto: François Gauthier-Lafayé) |
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Auch im Untergrund von Gabun erhitzte das zerfallende Uran-235 Wasser, das aus einem nahen Fluss eingesickerte. Sobald es heiß genug war, verdampfte die Flüssigkeit – einem Geysir nicht ganz unähnlich. Damit stoppte die Kettenreaktion jedoch, schreiben Meshik und seine Kollegen: Sowohl im Erdreich als auch im Kraftwerk bremst Wasser die frei werdenden Neutronen auf jene Geschwindigkeit herab, mit der sie die nächsten Uranatome spalten können. Ohne Wasser fliegen die Neutronen zu schnell, die Kettenreaktion stoppt, der Reaktor kühlt ab, neues Wasser strömt ein, die Neutronen werden wieder gebremst und das Wasser verdampft erneut.
Dieser Zyklus dauerte etwa drei Stunden, vermuten die Physiker: Auf eine 30 Minuten lange Kernspaltungs-Periode folgen zweieinhalb Stunden Ruhe, Wassereinstrom und Aufheizen. Der Prozess kam erst zur Ruhe, als der Gehalt von Uran-235 im Laufe der Zeit unter die Drei-Prozent-Marke gesunken war. Heute hat das Isotop nur noch einen Anteil von 0,7 Prozent am Uran. Es muss daher mit viel Aufwand angereichert werden, bevor daraus Brennstäbe gefertigt werden können. Die im Gestein von Gabun aus insgesamt etwa fünf Tonnen Uran-235 frei gesetzte Leistung betrug im Durchschnitt etwa rund 100 Kilowatt, hat Meshik ausgerechnet: soviel wie in einem kleinen Forschungsreaktor.
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Pechblende: so kommt Uran natürlich vor. (Foto: Thomas Seilnacht) |
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Für die Wissenschaft sind die prähistorischen Vorgänge in der Oklo-Mine mehr als ein Kuriosum: Am „natürlichen Analogon“ wird hier nämlich der Blick in ein Endlager nach vielen Millionen Jahren möglich. So lassen sich Rückschlüsse auf das Verhalten von radioaktiven Stoffen in der Natur gewinnen und Modelle der Radionuklidwanderung testen. In Oklo kann man insbesondere die Rückhaltung von Aktiniden in Sedimenten studieren.
dpa/imi