Kopieren schwer gemacht
Photovoltaik-Zellen auf Silizium-Basis sind teuer, das ist kein Geheimnis. Das aus Abfällen der Chip-Industrie hergestellte Silizium als photoempfindlicher Werkstofff wird in Zeiten geförderter Solarenergie knapp. Neue Verfahren zur Silizium-Gewinnung sind noch nicht ausgereift. Die Suche nach Ersatzstoffen liegt daher nahe.
Forscher orientieren sich auf der Suche nach Ersatzstoffen an Mutter Natur. Der Farbstoff Chlorophyll ist Ausgangspunkt für Überlegungen, eine Photozelle auf Farbstoff-Basis zu entwickeln. Die Photosynthese, die seit 2,5 Milliarden Jahren zur Umsetzung von Strahlungsenergie über elektrische Energie in chemisch gebundene Energie genutzt wird, bildet das Modell einer "Bio-Solarzelle". "Heute werden modifizierte Farbstoffe verwendet, da Chlorophyll nicht so stabil ist" erläutert Professor Helmut Tributsch, Leiter der Abteilung für Solare Energetik am Berliner Hahn-Meitner-Institut und einer der ersten, der Überlegungen zu diesem System veröffentlichte.
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Prototyp einer Grätzel-Zelle (Foto: EPFL Lausanne) |
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Ein Artikel in der Zeitschrift "Nature" brachte die "Biozelle" 1991 in die Schlagzeilen. Der Schweizer Forscher Michael Grätzel, Universität Lausanne, prophezeite für die nunmehr zur "Grätzelzelle" mutierte Photozelle niedrige Herstellungskosten, Langlebigkeit und erste Prototypen 1994.
Die Grätzelzelle imitiert die Funktionsweise der in der Natur vorkommenden Photosynthese. Die Aufnahme des energierreichen Lichts erfolgt bei Pflanzen über den Antennen-Farbstoff Chlorophyll. Ähnlich aufgebaute Farbstoffe werden in möglichst monomolekularer Schicht aufgetragen. Sie nehmen die Energie des Sonnenlichtes auf und führen die resultierende Spannung an einen Spannungsnehmer ab.
Der Halbleiter Titandioxid (TiO2) ist auf einer Glasplatte aufgebracht. Die Glasplatte ist mit einer transparenten Elektrode (z.B.: Zinndioxid, SnO2) versehen. Die Halbleiter-Schicht wird mit einem Farbstoff sensibilisiert. Der sensibilisierte Halbleiter wird mit einem Elektrolyt (Iod-/Iodid-Lösung) übergossen und mit einer weiteren, leitfähig beschichteten Glasplatte bedeckt. Diese zweite Glasplatte ist zusätzlich mit einem Katalysator (Platin oder Graphit) beschichtet.
Bei Bestrahlung geben die Farbstoffmoleküle Elektronen an den Halbleiter ab und nehmen gleichzeitig von den Iodid-Ionen Elektronen auf. Die Iodid-Ionen werden dadurch zu neutralen Iodatomen, welche sich paarweise zu Iodmolekülen zusammenschließen. Im nächsten Schritt diffundieren die Elektronen durch den Halbleiter zur transparenten Elektrode und gelangen über diese Elektrode zum äußeren Schließungsdraht zur Gegenelektrode. Dort reduzieren sie Iodmoleküle zu Iodidionen, welche in Schritt 1 wieder oxidiert werden.
Tributsch äußert sich kritisch: "Die Grätzelzelle ist ein interessantes System, aber es gibt grundlegende Probleme. Dazu gehören, die Flüssigzelle dicht zu bekommen, die Zusammensetzung des Elektrolyten und der Farbstoff selbst". Firmen wie der Schweizer Uhrenhersteller Swatch-Company haben sich mittlerweile aus dem Projekt zurückgezogen. Nicht zurückgezogen hat sich der Schweizer Familienbetrieb "Kurth Glas und Spiegel AG". Die Euphorie des findigen Unternehmers Martin Kurth scheint jedoch verflogen: "Wann die Grätzelzelle in Produktion geht, das steht in den Sternen".
Im Wissenschaftspark Gelsenkirchen wurde 1993 das Institut für Angewandte Photovoltaik, kurz INAP, gegründet. Das Institut hat sich zum Ziel gesetzt die Farbstoffzelle zur Industriereife zu bringen. Dr. Klaus-Peter Hanke vom INAP ist überzeugt, dass es die Grätzelzelle in absehbarer Zeit geben wird. Auch sieht er das Farbstoffproblem als untergeordnetes: "Wir haben drei Zellen seit zwei Jahren auf dem Dach und stellen fest, dass sich der Farbstoff regeneriert. Warum das so ist verstehen wir noch nicht". Süffisant merkt er an "Das Kunststück besteht nicht darin, die Spannung zu erzeugen, sondern den Strom aus der Zelle rauszukriegen. Die große Stärke der neuen Photozelle ist ihr Funktionieren im Schwachlicht-Bereich." Dies könnte den geringeren Wirkungsgrad von 6 bis 10 Prozent gegenüber den Silizium-Zellen wettmachen.
Die Forschergemeinde ist sich also uneins. Festzustehen scheint jedoch, dass Mutter Natur sich nicht so leicht auf die Finger schauen läßt. Sie hat ja auch einiges an Vorsprung.
pen