Wie klimafreundlich sind Elektroautos?
Auf dem Weg zu einem klimaneutralen Europa im Jahr 2050 hat die Europäische Union beschlossen, dass alle in Europa verkauften Neuwagen eines Herstellers zusammengenommen vom nächsten Jahr an im Schnitt nur noch 95 Gramm Kohlendioxid-äquivalente Treibhausgase pro Kilometer emittieren dürfen. Dieser Grenzwert lässt sich mit Verbrennungsmotoren nicht einhalten. Die deutsche Bundesregierung sieht die Lösung in der Elektromobilität, die sie mit diversen Maßnahmen – mit Kaufprämie, Steuerfreibeträgen, Ausbau der Ladeinfrastruktur und Ähnlichem – intensiv fördert.
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Die Bundesregierung setzt auf Elektromobilität (Foto: Panthermedia)
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Und sie verfolgt dabei ehrgeizige Ziele: So sollen bereits im Jahr 2030 rund 7 bis 10 Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen rollen, hundertmal mehr als heute. Denn Fahrzeuge mit elektrisch angetriebenen Motoren, die ihre Energie aus Batterien beziehen, gelten laut EU-Verordnung quasi per definitionem als emissionsfrei, da der benötigte Strom theoretisch vollständig klimaneutral erzeugt werden könnte. Um Strafzahlungen zu entgehen, konzentrieren sich daher auch die Automobilkonzerne fast ausschließlich darauf, die Produktion in diesem Sektor auszuweiten.
Darüber, wie klimafreundlich das Elektroauto derzeit wirklich ist, streiten sich die Experten. Ende Oktober veröffentlichte die Forschungsgesellschaft Joanneum Research in Graz (Österreich) eine Analyse, in der die Treibhausbilanzen verschiedener Antriebsarten – Elektro, herkömmliche Benziner und Diesel, Wasserstoff, E-Fuel, Plug-in-Hybrid und Erdgas – über den gesamten Lebenszyklus für Fahrzeuge der sogenannten „Golfklasse“ verglichen wurden. Die Studie wurde im Auftrag der Fédération Internationale de l’Automobile (FIA) und des Österreichischen Automobil-, Motorrad- und Touring Clubs (ÖAMTC) sowie mit Unterstützung des Allgemeinen Deutschen Automobil-Clubs (ADAC) und des Touring Club Schweiz erstellt.
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Treibhausgas-Ausstoß während eines Autolebens (Grafik: ADAC, Daten: Joanneum Research)
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Die Analyse berücksichtigt alle im gesamten Lebenszyklus, d.h. bei der Herstellung des Fahrzeugs, dem Betrieb sowie der Entsorgung erzeugten Treibhausgase. Postuliert wurde eine jährliche Fahrleistung von 15.000 Kilometern und eine Gesamtlebensdauer von 15 Jahren. Nach dieser Studie schneidet beim gegenwärtigen Strommix in Deutschland das E-Auto erst nach 127.000 Kilometern oder 8,5 Betriebsjahren besser ab als ein Benziner, und erst nach ca. 219.000 Kilometern oder 14,6 Jahren besser als ein Diesel-Auto. Die beste Klimabilanz ergibt sich für das mit Erdgas betriebene Auto. Erst bei Gebrauch von 100 Prozent regenerativem Strom emittieren Elektroautos deutlich weniger als alle anderen Antriebsarten.
Ein Grund für die schlechte Bilanz der Elektroautos ist der gegenwärtige Strommix in Deutschland mit seinem verhältnismäßig großen Anteil an Kohlestrom. Entsprechend prognostiziert die Studie für das Jahr 2050 im Zuge des Ausbaus erneuerbarer Energien eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen von Elektroautos um bis zu zwei Drittel. Doch auch dann muss noch der „Treibhausrucksack“ berücksichtigt werden, den die in Fernost zumeist mit Kohlestrom hergestellten Batterien mit sich schleppen. Die Politik sollte, so der ADAC, daher nicht einseitig auf Elektroantriebe setzen, sondern das Potential erkennen, das konventionelle Antriebe besitzen, beispielsweise Erdgas-Autos mit einem höheren Anteil an Biomethan.
Kritiker der Studie weisen auf neue Technologien etwa für die Produktion von Batterien hin. Doch auch enthusiastische Befürworter einer „reinen E-Mobilität“ betonen, dass es angesichts der für die Batterien benötigten Rohstoffe schwer möglich sein wird, die derzeit in Deutschland zugelassenen rund 50 Millionen Pkws mit Verbrennungsmotoren durch ebenso viele Elektroautos zu ersetzen. Auch sei es nicht sinnvoll, schwere Wagen wie SUVs mit Batterien zu bestücken. Notwendig seien vielmehr neue Verkehrskonzepte, die individuelle Mobilität mit wenigen und sparsamen kleinen Elektrofahrzeugen und alternative Verkehrsmittel wie Fahrrad, öffentlichen Nahverkehr und Bahn integrieren.
Olivia Meyer-Streng