Klimafreundliche Energie aus Erdgas
Erdgas zählt zu den wichtigsten Ressourcen der Energiegewinnung. Doch wie bei allen fossilen Energieträgern entsteht bei der herkömmlichen Verbrennung das zur Erderwärmung beitragende Treibhausgas Kohlendioxid. Wasserstoff auf der anderen Seite gilt als vielversprechender klimafreundlicher Stoff für die Speicherung und den Transport von Energie. Bislang haperte es allerdings an geeigneten Verfahren, Wasserstoff in großen Mengen industriell herzustellen.
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Versuchsreaktor zur Methanspaltung (Foto: Amadeus Bramsiepe, KIT)
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Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und des Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam haben jetzt eine neue Technologie entwickelt, Wasserstoff aus fossilen Energieträgern ohne klimaschädliche Emissionen zu erzeugen. Dabei wird das hauptsächlich aus Methan (CH4) bestehende Erdgas ohne Freisetzung von Kohlendioxid in Wasserstoff (H2) und festen Kohlenstoff (C) aufgespalten, ein Vorgang, der auch als Pyrolyse bezeichnet wird.
Zentrales Element der neuen Technologie ist ein sogenannter „Flüssigkeit-Blasensäulenreaktor“: ein 1,20 Meter hoher säulenförmiger Behälter aus Edelstahl und Quarz mit einem Durchmesser von rund 40 Millimetern, der mit flüssigem Zinn gefüllt ist. Der Reaktor befinde sich in einem elektrischen Ofen, der das Zinn bis auf 1200 Grad Celsius erhitzt. Durch eine kleine Öffnung am Boden des Reaktors wird von unten kontinuierlich Erdgas oder auch gasförmiges reines Methan eingeleitet. Die Gasblasen, die sich am Injektor bilden, steigen auf, wobei sie schnell so heiß wie das flüssige Metall werden und damit die für die Pyrolyse-Reaktion notwendige Temperatur erreichen. Wenn sie zerplatzen, setzen sie gasförmigen Wasserstoff frei, der in einem „Separator“ aufgefangen wird. Der gleichzeitig erzeugte Kohlenstoff fällt flockenförmig an der Oberfläche der Flüssigkeit als Mikrogranulat aus und kann leicht abgetrennt werden.
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Beim Cracken von Methan entsteht Wasserstoff und Kohlenstoffpulver (Foto: Geissler/ Stoppel, KIT)
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Im Labormaßstab erzielten die Wissenschaftler in kontinuierlichem Betrieb bereits eine Umwandlungsrate von 78 Prozent des Methans in Wasserstoff. Bei dem Prozess entstehen so gut wie keine Zwischenprodukte, und das nicht aufgespaltene Methan kann dem Rektor wieder zugeführt werden. Der reine Kohlenstoff, der als Nebenprodukt anfällt, kann als Rohstoff in vielen industriellen Prozessen verwendet werden, zum Beispiel bei Leichtbaustoffen, Druckerfarben oder Batterien.
„In dem so erzeugten Wasserstoff stecken etwa 60 Prozent der Energie des eingesetzten Methans“, erläutert Prof. Thomas Wetzel vom Institut für thermische Verfahrenstechnik am KIT, einer der Koordinatoren des Projektes, die Energiebilanz des Verfahrens. „Davon reicht, bei geschickter Prozessführung, rund ein Fünftel aus, um die Reaktion am Laufen zu halten. Letztlich steht also die Hälfte des ursprünglichen Heizwertes zur Verfügung.“ Prof. Wetzel sieht in dem Verfahren auch das Potential, langfristig der Atmosphäre Kohlendioxid zu entziehen: „Verwendet man statt fossilem Erdgas aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnenes Biomethan, das per se klimaneutral ist, dann entspräche die emissionsfreie Erzeugung von Wasserstoff im Endeffekt negativen Kohlendioxid-Emissionen.“
Derzeit arbeiten die Wissenschaftler an einer weiteren Optimierung des Verfahrens sowie einer Skalierung des Reaktors auf einen für die industrielle Produktion tauglichen Maßstab. Die neue Technologie könnte eine Schlüsselstellung einnehmen, um dauerhaft auf ein System aus erneuerbaren Energien umzusteigen.
Das Forschungsprojekt zur Methanspaltung wurde von Nobelpreisträger Prof. Carlo Rubbia angestoßen, ehemals wissenschaftlicher Direktor des IASS. Dort lag die Koordination in den Händen von Dr. Stefan Stückrad und Prof. Alberto Abánades. Am KIT werden die Forschungsarbeiten von Prof. Thomas Wetzel, Dr. Leonid Stoppel vom Karlsruher Flüssigmetalllabor KALLA sowie von Dr. Alfons Weisenburger vom Institut für Hochleistungsimpuls- und Mikrowellentechnik koordiniert. Auch Forscher vom Institut für Angewandte Materialien beteiligen sich an dem Projekt.
Olivia Meyer-Streng