Unterwasser-Pumpspeicher im Test
Auf hoher See können Windkraftanlagen besonders große Ernte einfahren. Wird der Strom gerade nicht gebraucht, speichert man ihn am besten direkt vor Ort, meinten Professor Horst Schmidt-Böcking und sein Kollege Dr. Gerhard Luther von den Universitäten in Frankfurt und Saarbrücken. 2011 meldeten sie die Idee zum Patent an: „Auf dem Meeresboden installierte Pumpspeicherkraftwerke können in großen Wassertiefen den hohen Wasserdruck nutzen, um mit Hilfe von Hohlkörpern Stromenergie speichern zu können“, erklärt Horst Schmidt-Böcking das Konzept.
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Die Drei-Meter-Testkugel (Foto: Fraunhofer IWES)
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Zum Speichern wird mit dem überschüssigen Strom über eine Elektropumpe Wasser aus einer großen Hohlkugel am Meeresboden herausgepumpt. Wird Strom gebraucht, lässt man das Wasser durch eine Turbine in die leere Kugel zurückströmen und erzeugt dabei über einen Generator Strom. Zur Untersuchung der Machbarkeit gründeten der Betonbauspezialist Hoch-Tief und das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES in Kassel noch im Jahr der Patenterteilung ein Konsortium.
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Funktionsprinzip (Grafik: Fraunhofer IWES)
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Nach positiven Ergebnissen einer Vorstudie soll nun im Rahmen des Projekts „Stored Energy in the Sea“ das neuartige Pumpspeicherkonzept zunächst im Modellmaßstab weiterentwickelt und erprobt werden. „Auf Basis der Vorstudie haben wir eine detaillierte Systemanalyse mit Konstruktion, Bau- und Logistikkonzept des Druckbehälters durchgeführt, eine Pump-Turbinen-Einheit entwickelt, die Einbindung in das Stromnetz untersucht, Wirtschaftlichkeitsberechnungen durchgeführt und eine Roadmap für die technische Umsetzung entwickelt“, so IWES-Projektleiter Matthias Puchta.
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Meeres-Pumpspeicher-Kraftwerk (Grafik: Fraunhofer IWES)
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Anfang November begann im Bodensee der praktische Test. Für den Modellversuch im Maßstab eins zu zehn wurde eine hohle Betonkugel mit drei Metern Durchmesser mit Hilfe von Luftkissen über den See gezogen und dann im 100 Meter tiefen Wasser vor Überlingen versenkt. „Mit den Ergebnissen des Modellversuchs wollen wir zunächst geeignete Standorte für ein Demonstrationsprojekt in Europa genauer untersuchen“, erklärt IWES-Bereichsleiter Dr. Jochen Bard. Später sollen Speicherkugeln mit 30 Meter Durchmesser eingesetzt werden. „Das ist unter ingenieurtechnischen Randbedingungen die derzeitige sinnvolle Zielgröße“, so Bard. Sicher sei zudem, dass das Konzept erst ab Wassertiefen von 600 bis 800 Metern im Meer wirtschaftlich anwendbar werde. Erst dort ist der Wasserdruck hoch genug: „Die Speicherkapazität steigt bei gleichem Volumen linear mit der Wassertiefe und beträgt für eine 30 Meter-Kugel bei 700 Metern ungefähr 20 Megawattstunden“. Damit kann die Kugel vier Stunden lang so viel Energie aufnehmen, wie ein Offshore-Windrad bei maximaler Leistung produziert. Allerdings: Vor der deutschen Küste ist das Meer nicht tief genug. Trotzdem gebe es für die Anwendung, so Bard, ein großes Potential, beispielsweise vor den Küsten Norwegens, aber auch Spaniens, der USA und Japans: „Mit heutiger standardisierter und verfügbarer Technik sehen wir bei der Speicherkapazität von 20 Megawattstunden pro Kugel eine weltweite elektrische Gesamtspeicherkapazität von 893.000 Megawattstunden“. Dies ist – zum Vergleich – das rund Hundertfache der Speicherkapazität des größten deutschen Pumpspeicherkraftwerks, Goldisthal in Thüringen.
imi