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Ausgabe 04/2015
Erneuerbare Energien

Intelligente Stromzähler – Fluch oder Segen?      

Die schwankende Stromerzeugung erneuerbarer Energien stellt das Versorgungssystem vor besondere Anforderungen. Gebraucht werden intelligente Netze, die Strom nicht nur verteilen, sondern Erzeugung und Verbrauch stets im Gleichgewicht halten. Intelligente Messsysteme und Zähler könnten daher „zu einem wichtigen Baustein für die Energiewende werden“, so das Bundeswirtschaftsministerium. Über die gesetzlichen Grundlagen wird gerade heftig debattiert.


Die alten Drehscheibenzähler sollen digitalen Zählern weichen  
(Foto: IPP)

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Während die bekannten Drehscheibenzähler die verbrauchten Kilowattstunden aufsummieren und einmal jährlich abgelesen werden, erfassen intelligente Zähler genau, wann wie viel verbraucht wurde (siehe EP 4/09). In kurzen Abständen werden die Daten an den Stromversorger gemeldet. Via Internet kann der Kunde seinen momentanen Verbrauch einsehen. Das kann zu Energieersparnis führen. Werden tageszeitvariable Stromtarife angeboten, lässt sich auch Geld sparen: In Zeiten geringer Nachfrage kostet Strom weniger, bei großer Nachfrage mehr. Dies kann die Verbraucher motivieren, den Betrieb ihrer elektrischen Geräte in Haushalt oder Firma entsprechend zu planen. Werden die Geräte mit einem speziellen Chip ausgestattet, sind sie über den Zähler sogar ferngesteuert ein- und ausschaltbar. So könnte der Verbrauch direkt reguliert und an das schwankende Angebot angepasst werden.

Intelligente Zähler sind seit den 1990er Jahren vor allem bei Großkunden im Einsatz, seit etwa fünf Jahren werden sie auch für Privathaushalte angeboten. Einen Gesetzentwurf zur "Digitalisierung der Energiewende" hat das Bundeskabinett am 4. November verabschiedet. In den vorab veröffentlichten Eckpunkten vom Februar war der Einbau intelligenter Zähler für Kleinverbraucher noch freiwillig. Der aktuelle Gesetzentwurf ermöglicht jetzt aber Netzbetreibern und Vermietern, ab 2020 auch kleinste Verbraucher anzuschließen – obwohl sie auf Haushaltsebene „nachgewiesener Weise keinen nennenswerten Beitrag zur Energiewende oder zur Netzdienlichkeit leisten“, so der Verbraucherzentrale Bundesverband.


Sieben von zehn Bürgern sprechen sich gegen einen Austausch aller Stromzähler aus.  
(Grafik: vzbv)

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Der Verband nennt dies einen „ungerechtfertigten Eingriff in die Verbrauchersouveränität“. Ein Recht auf Zustimmung oder Ablehnung sei im Gesetzentwurf nicht mehr vorgesehen. Stattdessen könnten Vermieter unter Umständen die Zähler gegen den Willen, aber auf Kosten der Mieter installieren – eine partielle „Entmündigung“ und ein Zugeständnis an die Energie- und Immobilienwirtschaft sowie Zählerindustrie.

Freiwilligkeit ist für den Verbraucherzentrale Bundesverband jedoch der entscheidende Punkt, auch angesichts der Fragen, die sich zu Schutz und Sicherheit der erhobenen Daten stellen. Denn das regelmäßige Auslesen erlaubt tiefe Einblicke: Mit Daten, die ca. viertelstündlich erhoben werden, ließe sich zum Beispiel feststellen, zu welcher Zeit bestimmte Bewohner außer Haus sind, dort schlafen oder Mahlzeiten zubereiten, so Wissenschaftler der Fachhochschule Münster. Mit Datenübertragung im Minuten- oder Sekundenbereich würde sichtbar, ob das Frühstück warm oder kalt zubereitet wurde, wann Wäsche gewaschen oder der Fernseher eingeschaltet wurde. Den Wissenschaftlern ist es sogar gelungen, aus den Daten das ausgewählte Fernsehprogramm zu identifizieren.

Das Fazit der Wissenschaftler: Eine regelmäßige Übermittlung der Daten an Energieversorger oder Netzbetreiber sollte nur mit „einer ausdrücklichen Zustimmung aller im Haushalt lebenden Personen“ erlaubt sein, die zugleich über das Ausmaß der Auswerte-Möglichkeiten aufzuklären seien. Einen ähnlichen Standpunkt vertritt auch der Verbraucherzentrale Bundesverband, zumal sich die Experten einig seien, „dass für ein sicheres und effizienteres Stromnetz aggregierte Daten eines Straßenzugs oder eines Viertels vollkommen ausreichen. Zum Lastmanagement sind die intelligenten Messsysteme und Zähler bislang ungeeignet und leisten damit keinen Beitrag zur Flexibilisierung des Stromsystems“.

Im Dezember soll das neue Gesetz im Bundesrat, im Januar 2016 im Deutschen Bundestag beraten werden. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert Länder und Bundestagsabgeordnete auf, für Nachbesserung zu sorgen. Statt auf Zwang solle auf freiwilligen und marktgetriebenen Einbau gesetzt werden.

imi