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Ausgabe 01/2014
Fusionsforschung

Ausdauer gefragt beim Wandmaterial   

Welches Material ist für die Brennkammer des internationalen Testreaktors ITER am besten geeignet? Mit einem achtmonatigen Umbau hat sich die Fusionsanlage ASDEX Upgrade im Garchinger Max-Planck-Institut für Plasmaphysik gerade gerüstet, dieser Frage unter Bedingungen nachzugehen, die denen im viermal größeren ITER nahe kommen.


Das Plasmagefäß von ASDEX Upgrade ist mit Wolfram ausgekleidet
(Foto: JET)

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Der Testreaktor entsteht zurzeit in weltweiter Zusammenarbeit im südfranzösischen Cadarache. Ähnlich wie die Sonne soll er aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnen. Zum Zünden des Fusionsfeuers wird der Brennstoff, ein Wasserstoffplasma, berührungsfrei in einem Magnetfeldkäfig eingeschlossen und auf über 100 Millionen Grad aufgeheizt.

Für eine verträgliche Wechselwirkung zwischen dem Plasmagefäß und dem darin schwebenden Brennstoff setzen die Garchinger Wissenschaftler auf Wolfram, das Metall mit dem höchsten Schmelzpunkt. Schrittweise haben sie das Gefäß von ASDEX Upgrade vor einigen Jahren damit ausgekleidet – anfangs begleitet von großen Zweifeln der internationalen Forschung. Denn Wolfram ist zwar robust, stellt jedoch, anders als der ansonsten benutzte Kohlenstoff, beim Experimentieren besondere Anforderungen. Die Ergebnisse des vieljährigen Testprogramms überzeugten aber schließlich auch die ITER-Organisation: 2011 begann man hier, die bisherigen Pläne zu überdenken. Könnte man, statt besonders belastete Wandbereiche für die ersten Experimente mit dem vertrauten Kohlenstoff zu verkleiden, Kosten sparen und von Anfang an mit Wolfram arbeiten?


Die europäische Gemeinschaftsanlage JET, der "Joint European Torus". (Foto: JET)
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Offen war, wie sich das Material bei Überlast verhalten wird – etwa wenn das Plasma am Rand kurzzeitig instabil wird und dabei Wärme und Teilchen auf die Bodenplatten wirft. Werden keine Gegenmaßnahmen getroffen, können diese Edge Localised Modes, kurz ELMs, bis zu einem Zehntel der gesamten Plasma-Energie ausschleudern (siehe Energie-Perspektiven 2/2011). Während kleinere Anlagen wie ASDEX Upgrade das leicht verkraften, würden ELMs im viel größeren ITER-Plasma die Bodenplatten ungleich stärker beanspruchen.

Weltweit ist nur die europäische Gemeinschaftsanlage JET im englischen Culham groß genug, um diese Instabilitäten im ungefähren ITER-Maßstab nachzuahmen. Um mit einer ITER-ähnlichen Wand zu arbeiten, hatte man dort zudem die Kohlenstoff-Verkleidung des Plasmagefäßes vor zwei Jahren komplett ausgetauscht – einschließlich neuer Bodenplatten aus Wolfram.


ASDEX Upgrade: Bodenplatten aus massivem Wolfram 
(Foto: IPP)

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Im August 2013 lief dann der Härtetest: Die JET-Experimentatoren gingen daran, eine Wolfram-Kachel gezielt zu beschädigen. Die ELM-Ausbrüche des Plasmas hoben die Temperatur für Millisekunden über den Schmelzpunkt. Das Ergebnis: Die Kachel schmolz zwar kurz an, das Plasma zeigte sich jedoch weitgehend ungestört. Auf der nächsten Sitzung des ITER-Rates wurde infolgedessen beschlossen, von Anfang an Wolframplatten im Gefäßboden einzubauen.

Aber nicht nur ihre Reaktion auf ELMs, auch das Langzeitverhalten der Platten will man bei unterschiedlichen Plasma-Bedingungen erkunden, um so die beste Strategie für ITER zu finden. Während JET sich demnächst anderen Themen widmen wird, übernimmt nun wieder der Garchinger ASDEX Upgrade. Seine Bodenplatten, die bislang lediglich eine dünne Wolframbeschichtung trugen, wurden dazu durch massive Wolframplatten ersetzt. Zudem wurde ein Manipulator zum einfachen Plattenwechsel eingebaut: Die Tests von Prototypkacheln für ITER können beginnen.

imi