Steife Brise gesucht
Der erste kommerzielle Hochsee-Windpark in der Nordsee, der an das Stromnetz angeschlossen ist, wurde im August offiziell eingeweiht: BARD Offshore 1 hundert Kilometer nordwestlich der Insel Borkum. Auf einer Fläche so groß wie 8500 Fußballfelder sind hier 80 Windräder der Fünf-Megawatt-Klasse verteilt.
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Servicetechniker auf dem Dach eines Windrades von BARD Offshore 1 (Foto: BARD-Gruppe)
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Die ersten Anlagen gingen bereits Ende 2010 ans Netz. Heute speist der Windpark 80 Prozent der in Deutschland offshore produzierten Strommenge ein. Im bundesweiten Vergleich ist das allerdings nicht viel: Während an Land Windräder einer Gesamtleistung von 32.000 Megawatt installiert sind, sind es auf See erst rund 520 Megawatt.
Grund sind die extremen Bedingungen auf hoher See: Das rauhe Nordsee-Wetter, die große Küstenferne und bis zu 40 Meter tiefes Wasser haben denn auch den Aufbau von BARD Offshore 1 um zwei Jahren verzögert.
Man habe es jedoch geschafft, sagte BARD-Vorstand Michael Baur bei der Eröffnung, die höchst kritische Anfangsphase zu überwinden. „In einem einzigartigen Kraftakt und mit einer hohen Lernkurve haben wir unter Beweis gestellt, dass Projekte von dieser Größe und Komplexität erfolgreich realisiert werden können.“
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Eine der 80 Windkraftanlagen des Hochsee-Parks (Foto: BARD-Gruppe) |
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Trotz dieses Erfolgs gibt es Probleme: Nach dem Bauabschluss hat BARD Entlassungen angekündigt. Wegen schlechter Auftragslage hatte man schon vorher mehrere Produktionsfelder geschlossen. Auch bei anderen Firmen der Offshore-Branche kriselt es: 5000 Arbeitsplätze stünden auf der Kippe, fürchtet die Arbeitsagentur. Vertreter der fünf norddeutschen Bundesländer warnten im „Cuxhavener Appell“, die deutsche Offshore-Industrie stehe schon wenige Jahre nach ihrer Geburt am Scheideweg. Von der Bundesregierung fordern sie verlässliche politische Rahmenbedingungen und Planungssicherheit bei der Vergütung durch das Energieeinspeisegesetz.
Zurzeit gibt es in der deutschen Nord- und Ostsee drei Windparks, die Strom erzeugen: das Testfeld alpha ventus und die kommerziellen Windparks Bard Offshore 1 und Baltic 1. Hinzu kommen drei Einzelanlagen in Küstennähe. Diese insgesamt installierte Leistung von 520 Megawatt sollen nach den Plänen der Bundesregierung bis 2030 auf 25.000 Megawatt anwachsen – eine gewaltige Herausforderung. Denn anders als im Ausland werden die meisten deutschen Windparks weit draußen im Meer in 30 bis 100 Kilometer Entfernung von der Küste geplant, vor allem, um das unter Naturschutz stehende Wattenmeer zu schonen. Im tiefen Wasser müssen Fundament und Turm der Windanlagen ungleich stabiler sein als in Küstennähe oder gar an Land. Auch Netzanbindung und Wartung sind viel schwieriger.
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Die Umspann-Plattform (Foto: BARD-Gruppe)
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All dies treibt die Kosten für Hochsee-Windparks nach oben. Sie stellten sich immer mehr „als ökonomischer Irrläufer heraus“, meint daher der Verbraucherzentrale Bundesverband, „aus dem nicht einmal industriepolitisches Kapital geschlagen werden kann“. Denn international werde sich allenfalls Seewindenergie in Küstennähe durchsetzen. Anstelle der im Netzentwicklungsplan bis 2022 vorgesehenen 14 Gigawatt solle man sich daher auf 5 Gigawatt beschränken: „Im Zusammenspiel mit einem entsprechenden Ausbau von Solar- und Windenergie an Land ergeben sich so jährliche Einsparungen von 2 bis 3 Milliarden Euro.“
Den hohen Kosten stehen jedoch erhebliche Vorteile gegenüber: Die Windgeschwindigkeiten auf hoher See sind verlässlich hoch. Mit jährlich rund 4.500 Stunden voller Stromproduktion können Offshore-Windräder gut doppelt so lange Strom ernten wie Anlagen an Land. Und draußen im Meer sind Windräder weit weniger störend als an Land.
imi