Die Kraft der Sonne speichern
Eigentlich sieht das Video unscheinbar aus: von einem Metallblättchen in einem Wasserbecher steigen Luftbläschen auf, sobald Licht darauf scheint. Dahinter steckt jedoch eine kleine Revolution. Das Metallblättchen ist eine mit Katalysatoren beschichtete Solarzelle, die mit Hilfe des von ihr erzeugten Stroms Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff spaltet. „Künstliches Blatt“ nennt Daniel Nocera, Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) seine Entwicklung. Denn ähnlich wie eine Pflanze Sonnenlicht aufnimmt und dessen Energie in Form von Kohlehydraten speichert, verwandelt die beschichtete Solarzelle Lichtenergie in Wasserstoff.
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Das „künstliche Blatt“ verwandelt Sonnenlicht in speicherbare chemische Energie. (Foto: MIT/Dominick Reuter)
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Die Energie der Sonne einzufangen und sie nicht in elektrischen Strom, sondern in einen speicherbaren Energieträger umzuwandeln – beispielsweise in Methan, Ethanol oder Wasserstoff, ist das Ziel vieler Forschergruppen, die weltweit an Prozessen für eine künstliche Photosynthese arbeiten. Eines Tages ließe sich so vielleicht ein Großteil der Energiesorgen der Menschheit lösen, denn die mit Hilfe von Licht produzierten Energieträger, genannt solar fuels, könnten Erdgas oder Treibstoffe weitgehend ersetzen.
Die Photosynthese jedoch ist ein komplexer Prozess, der im Labor bisher nicht nachgebildet werden kann. Also verfolgen die Wissenschaftler Umwege. Algen oder Bakterien können unter bestimmten Voraussetzungen Wasserstoff oder Ethanol erzeugen (siehe Energie-Perspektiven 2/2006). Andere Forscher entwickeln molekulare Lichtfänger, die den lichtabsorbierenden Organellen in bestimmten Bakterienarten abgeschaut sind. An der Chemie setzten Wissenschaftler wie Professor Nathan Lewis vom California Institute of Technology an. Er entwickelt eine photoelektrochemische Zelle, die Licht aufnimmt und Wasser elektrisch zu Sauerstoff und Wasserstoff spaltet. Sie arbeitet mit Anoden und Kathoden aus Halbleitermaterialien, die mit Hilfe von Licht eine elektrische Spannung erzeugen und so das Wasser spalten.
„Es gibt jede Menge interessante Ansätze, die im Labor oder im kleinen Maßstab gut funktionieren“, meint Professor Alfred Holzwarth, der am neu geschaffenen Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion an künstlicher Photosynthese forscht. Aus seiner Sicht liegt der Knackpunkt in der zu produzierenden Menge. „Wir haben zum Ziel, bis etwa 2050 unsere fossilen Brennstoffe wie Öl oder Gas größtenteils durch solar fuels zu ersetzen.“ Zwar wird beispielsweise Wasserstoff bereits industriell hergestellt, aber der Prozess kostet viel zu viel Energie, um preislich eine sinnvolle Alternative zu den heutigen Treibstoffen zu bieten. Dies gilt auch für die existierenden Verfahren, um Wasserstoff unter dem Einbau von Kohlendioxid zu Methan oder Ethanol weiterzuverarbeiten. Dabei wäre dies eine elegante Methode, um das Klimagas der Erdatmosphäre zu entziehen und gleichzeitig den schwer beherrschbaren Wasserstoff in Substanzen zu verwandeln, die unseren bisherigen Treib- und Brennstoffen sehr ähnlich sind.
Die Crux liegt laut Holzwarth im Fehlen geeigneter Katalysatoren, mit deren Hilfe die chemischen Prozesse zur Herstellung und Verarbeitung von Wasserstoff energetisch günstiger ablaufen. Die heute verwendeten Katalysatoren sind teuer oder gar nicht in den benötigten Mengen auf der Erde vorhanden. Außerdem nutzen sie sich während der Produktion schnell ab. Deshalb ist die Suche nach wirtschaftlich sinnvollen Katalysatoren für solar fuels eines der wichtigsten Forschungsthemen des neuen Max-Planck-Instituts. Die ersten verwertbaren Prozesse, schätzt Holzwarth, könnten vielleicht in zehn Jahren auf den Markt kommen und müssten dann wirtschaftlich ausreifen. Sie werden wahrscheinlich noch Wasserstoff produzieren, weil man diesen Prozess heute am besten kennt. Auf lange Sicht jedoch werden Katalysatoren gefunden sein, mit denen man – entweder direkt durch die Absorption von Licht oder auf dem Umweg über Solarstrom – effizient Methan oder Ethanol aus Licht, Wasser und Kohlendioxid herstellen kann.
Christine Rüth