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Ausgabe 04/2017
Erneuerbare Energien

Die Kraft der Verdunstung       

Ob sich aus der Verdunstung von Wasser Strom gewinnen lässt, das untersucht eine Forschergruppe um Ozgur Sahin von der Columbia-Universität in New York. Der Biophysiker nutzt dazu ein besonderes Hilfsmittel: das Bakterium „Bacillus subtilis“ oder Heubazillus, das vor allem im Erdboden vorkommt.


Das Minifahrzeug wird per Verdunstung angetrieben
(Foto: Xi Chen)

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Findet Bacillus subtilis keine Nahrung, verwandelt er sich in eine feste Spore, um sein genetisches Material in Sicherheit zu bringen. In feuchter Luft nehmen diese Sporen Wasser auf und dehnen sich dabei stark aus. Trocknen sie wieder ein, schrumpfen sie ebenso stark – „wie ein künstlicher Muskel“, sagt Sahin. 2014 konnte sein Team zeigen, dass die Sporen sogar kräftiger sind als tierische Muskeln. Dazu wurden sie in großer Zahl auf dünne Kunststoffstreifen aufgebracht und abwechselnd Wasserdunst und Trockenheit ausgesetzt. Die so ausgelöste Bewegung der Sporen war stark genug, um die Trägerstreifen ein- und wieder aufzurollen und dabei ein Minifahrzeug oder einen winzigen Generator anzutreiben. Der handgroße Prototyp konnte durchschnittlich zwei Mikrowatt elektrische Leistung liefern, genug für eine Leuchtdiode. Die Minimaschinen laufen so lange, wie die Wasserverdunstung für unterschiedliche Konzentrationen der Luftfeuchte sorgt.


Die gelben Streifen tragen die Bakterien
(Foto: Xi Chen)

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Von diesem Machbarkeitsbeweis bis zum praktischen Einsatz ist noch ein langer Weg. Trotz des, wie die Wissenschaftler zugeben, „frühen Stadiums der Entwicklung“ haben sie jetzt abgeschätzt, wieviel Energie sich am Ende der erhofften Fortschrittsstrecke in künftigen Verdunstungskraftwerken ernten ließe: In der Fachzeitschrift „Nature Communications“ berechnen sie, dass die Wasserverdunstung über größeren Seen und Staubecken in den USA ein Leistungsreservoir von enormen 325 Gigawatt bereitstelle. Bescheidenere Ziele wären verdunstungs­getriebene Mechaniken oder Sensoren, die fern vom Stromnetz in freier Natur arbeiten können.  

bal



Originalveröffentlichungen:

  • Chen, X., Mahadevan, L., Driks, A. & Sahin, O.: Bacillus spores as building blocks for stimuli-responsive materials and nanogenerators. In: Nature Nanotechnology 9, 137-141 (2014)

  • Ahmet-Hamdi Cavusoglu, Xi Chen, Pierre Gentine, Ozgur Sahin: Potential for natural evaporation as a reliable renewable energy resource. In: Nature Communications 8, 617 (2017), DOI: 10.1038/s41467-017-00581-w