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Ausgabe 04/2009
Energieeffizienz

Sind intelligente Stromzähler zu schlau?

Erneuerbare Energiequellen wie Wind und Sonne liefern unregelmäßig Strom – manchmal mehr als gerade gebraucht wird, manchmal weniger. Wenn es, wie europaweit geplant, um einen Anteil von zwanzig Prozent an der Stromversorgung geht, ist ein Ausgleich über Speicher kaum mehr möglich. Deshalb sollen intelligente Stromzähler dazu beitragen, die Nachfrage an das schwankende Angebot anzupassen. Die gesetzlichen Grundlagen in Deutschland sind bereits gelegt. Ab Januar 2010 müssen alle Neubauten mit elektronischen Stromzählern ausgerüstet werden.


Intelligente Stromzähler sollen die konventionellen Drehscheibenzähler ersetzen (Foto: EnBW)

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Während die alten Drehscheibenzähler die verbrauchten Kilowattstunden einfach aufsummieren und einmal jährlich abgelesen werden, erfassen intelligente Stromzähler genau, wann wie viel verbraucht wurde. Per Funk oder Telefonleitung werden die Daten dann in kurzen Abständen an den Stromversorger gemeldet. Über das Internet kann der Kunde seinen momentanen Stromverbrauch einsehen – grafisch aufbereitet und mit Energiespartipps versehen.

Intelligente Stromzähler machen den Verbrauch transparent: Der Kunde sieht, wie viel Strom Herd, Kühlschrank und andere elektrische Geräte im Haushalt gerade verbrauchen und kann so Energiefresser identifizieren – das kann zu Energieersparnis führen. Werden darüber hinaus last- oder tageszeitvariable Stromtarife angeboten, lassen sich auch Kosten sparen: In Zeiten geringer Nachfrage, zum Beispiel nachts, kostet Strom dann weniger, in Zeiten großer Nachfrage mehr. Werden die elektrischen Geräte im Haushalt außerdem noch mit einem speziellen Chip ausgestattet, sind sie über den elektronischen Zähler ferngesteuert ein- und ausschaltbar. So könnte der Verbrauch in den Haushalten reguliert und an das Angebot angepasst werden.


Intelligente Stromzähler sorgen für Transparenz (Foto: Bilderbox)
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Über die persönliche Energieeffizienz hinaus soll die neue Zählertechnologie Grundlage eines völlig neuen Energiemanagements werden. Im Rahmen des vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekts „Meregio“ (Minimum Emission Region) zum Beispiel werden in einer Modellregion in Baden-Württemberg dezentrale Stromerzeuger, -verbraucher und -speicher intelligent miteinander vernetzt – private Blockheizkraftwerke, Solaranlagen, Elektroautos oder Waschmaschinen und Kühlschränke. Über die intelligenten Stromzähler sollen diese bislang unabhängigen Bereiche koordiniert werden: Ist der Strom gerade günstig, weil viel Wind aus Offshore-Anlagen zur Verfügung steht oder die meisten Verbraucher schlafen, dann könnte die Waschmaschine besonders kostengünstig laufen. Wird gerade viel Strom gebraucht, lohnt sich die Einspeisung aus der privaten Brennstoffzelle im Keller.

Datenschützer jedoch sind besorgt. Denn so transparent wie den Verbrauch machen die neuen Stromzähler auch den Kunden, beanstandet das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein in einem Gutachten: „Tagesabläufe spiegeln sich in der Nutzung von Energie wieder.“ Leicht lassen sich so Lebensgewohnheiten ausforschen: Wie viele Personen leben gerade im Haushalt, wann stehen sie auf, welche Geräte benutzen sie wann und wie oft, wann gehen sie aus oder sind sie verreist? Die kontinuierliche – 15-minütige oder stündliche – Protokollierung des Stromverbrauches sei daher datenschutzrechtlich unzulässig, es sei denn, die Betroffenen wurden hinreichend informiert und haben dem Verfahren freiwillig zugestimmt. Ein Fernabruf ohne Beteiligung und Kenntnis des Betroffenen sei in jedem Fall eine Rechtsverletzung – die technischen Hürden zur verdeckten Auslesung seien allerdings niedrig. Sicherzustellen sei, dass Unberechtigte keinen Zugriff auf die Daten hätten, weder beim automatisierten Abruf oder Versand der Daten, noch durch Zugang zum Gerät selbst – wie etwa in allgemein zugänglichen Räumen von Mietshäusern.

„Unübersehbare Risiken“ sind dies für den Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung in Bielefeld. Stromlieferanten legten die Architektur und Programmierung der Stromzähler nicht offen: „Es ist also nicht nachvollziehbar, wann und welche Daten wirklich übertragen werden.“ Sind die erst einmal vorhanden, „werden auch Behörden und Polizeien Zugriff erhalten wollen.“ Unter dem moralischen Deckmantel des Energiesparens würde massive Überwachung und Kontrolle möglich.


So setzte sich 2007 der Stromverbrauch im Haushalt zusammen (Grafik: BDEW)

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Bedenken hinsichtlich des Verbraucher- und Datenschutzes äußerte noch im Gesetzgebungsverfahren auch der Bundesrat; ebenso die Grünen im März diesen Jahres in einer Anfrage an die Bundesregierung: Ihnen scheint besonders problematisch, dass „die verfassungsrechtlich geschützte Wohnung zur Datenquelle für die Anbieter wird“. Laut Gesetzeslage, so die Antwort der Bundesregierung, seien ab 2010 Zähler anzubieten, die den tatsächlichen Energieverbrauch und die tatsächliche Nutzungszeit widerspiegeln. Der Kunde könne dieses Angebot aber auch ablehnen. Eine pauschale Empfehlung hierzu will man nicht geben, sondern verweist auf die Beratungsmöglichkeiten bei den Verbraucherzentralen.

„Derzeit laufen eine ganze Reihe von Pilotprojekten mit den neuen Zählern; auch last- bzw. tageszeitabhängige Tarifangebote gibt es bereits“, sagt Evelyn Kessler von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Das Interesse der Energieversorger an solchen Geräten ist, den Stromverbrauch einzelner Kunden beobachten und prognostizieren zu können. So können sie mit der Tarifgestaltung das Verhalten der Verbraucher beeinflussen.“ Der Nutzer müsse die möglichen Ersparnisse gegen sein Datenschutzbedürfnis abwägen. Aus dem Stromverbrauch ließen sich Verhaltensprofile erstellen ähnlich wie bei Kunden- oder Kreditkarten: „Letztlich muss das jeder Kunde selbst werten.“

imi