Regenwald – Waschküche der Atmosphäre
Dass die Tropen die Atmosphäre reinigen und das globale Klima regeln, ist lange bekannt. Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz haben nun herausgefunden, dass die Säuberungskraft der natürlichen Atmosphäre sogar noch größer ist als bisher angenommen. Mit einem Forschungsflugzeug untersuchten sie die Luft über dem unberührten Regenwald Amazoniens. Sie fanden eine unerwartet hohe Konzentration von Hydroxyl-Radikalen – sehr reaktionsfreudige Moleküle, die schädliche Spurengase aus der Atmosphäre entfernen.
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Regenwald – hier im Amazonasgebiet (Foto: MPI für Chemie) | | |
Diese Hydroxyl-Radikale entstehen, wenn Ozon in feuchter Luft durch das ultraviolette Sonnenlicht zerlegt wird. Weil in den Tropen Sonneneinstrahlung und Luftfeuchtigkeit hoch sind, entstehen hier auch die meisten Hydroxyl-Radikale. Aus chemischer Sicht sind die Tropen daher eine Art Waschküche für die gesamte Erdatmosphäre.
Trotzdem waren die hohen Messwerte mit bisherigen Vorstellungen nicht vereinbar. Bislang ging man nämlich davon aus, dass die im Regenwald freigesetzten großen Mengen an Kohlenwasserstoffgasen die Hydroxyl-Radikale verbrauchen: Pflanzen und Bäume erzeugen mehr als eine Milliarde Tonnen flüchtiger organischer Verbindungen pro Jahr, darunter vor allem Isopren, eine gasförmige Verbindung, die zu den Terpenen zählt. Hohe Radikal-Konzentrationen wären daher nicht direkt über dem Regenwald, sondern erst in größeren Höhen zu erwarten. Die neuen Messungen sowie Laborexperimente und Modellrechnungen zeigen nun, dass natürliche chemische Prozesse die nützlichen Radikale sehr effizient wiederherstellen: In unberührter Atmosphäre, so nehmen die Forscher um Professor Jos Lelieveld an, sorgt hierfür die Oxidation des Isoprens. Ganz anders aber in verschmutzter Luft mit höheren Gehalten an Stickoxiden: Hier führt diese Oxidation zum photochemischen Smog – Ozon und andere Schadstoffe entstehen.
Die Ergebnisse sind von großer Bedeutung für die Entwicklung von Rechenmodellen für die Luftqualität. Zugleich sind sie beunruhigend: Je weiter die Abholzung des Regenwaldes und die Entwicklung von Landwirtschaft, Städten und Industrie in den Tropen fortschreitet, umso stärker sinkt hier die natürliche Selbstreinigungskraft der Luft. Die Verunreinigungen nehmen zu und tragen zum Klimawandel bei. „Ohne den Einfluss des Menschen jedoch hält der Wald in bemerkenswerter Weise das Gleichgewicht mit seiner atmosphärischen Umgebung aufrecht“, ist Lelieveld überzeugt. mk/ba/imi
Originalveröffentlichung:
J. Lelieveld et al.: Atmospheric oxidation capacity sustained by a forest, in: Nature, Band 452, 10. April 2008, Seite 737 bis 740.