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Ausgabe 02/2008
Biomasse

Kohlendioxid-Fresser Algen

Die Idee klingt bestechend einfach: Baue einen Algenreaktor neben ein herkömmliches Kraftwerk, und die Algen verwenden das ausgestoßene Kohlendioxid für ihr Wachstum. Zusätzlich liefern sie Energie in Form von Biogas, Biodiesel oder Öl. Sind Algen die Lösung, um unsere Kohlendioxid-Emissionen einzudämmen?


Die Alge „Chlorella hamburgensis“ (Foto: Strategic Science Consult)

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Vieles spricht für die Wasserpflanzen: Sie sind hocheffiziente Kohlendioxid-Verwerter, weil alle ihre Zellen Photosynthese betreiben. Bei anderen Pflanzen tragen nur die Zellen der grünen Blätter zur Kohlendioxid-Aufnahme bei. Zum Wachsen brauchen Algen Licht Kohlendioxid, Wasser und Nährstoffe, aber keinen Ackerboden wie andere Energiepflanzen. Algenreaktoren stehen auch nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion und können ökologisch unbedenklich auf wertlosen Böden gebaut werden. Zudem sind Algen hochwertige Biomasse mit höherer Energieausbeute als andere Pflanzen. Gezüchtet mit Kohlendioxid aus Kraftwerken und als Biogas weiterverwertet, erhöhen sie die gewonnene Energie relativ zum emittierten Kohlendioxid. Wirtschaftlich in großem Stil hergestellt, wären sie perfekte Biomasselieferanten.


Algen können hochwertige Biomasse wie Fette und Öle produzieren (Foto: Strategic Science Consult)
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In Hamburg macht ein Pilotprojekt den Praxistest: Seit Ende 2007 wächst neben einem Heizkraftwerk von E.ON Hanse die Alge „Chlorella Hamburgensis“. Bis zu 80 Prozent des Kohlendioxids aus den Kraftwerksabgasen kann sie aufnehmen. Das Herzstück der Anlage sind Photobioreaktoren: große, flache Kunststoffplatten, zwischen denen sich die Algensuppe befindet. Eine optimale Lichtversorgung aller Algenzellen ist der wichtigste Wachstumsfaktor und die größte Herausforderung bei der Konstruktion solcher Reaktoren. Ab 2009 soll „Chlorella Hamburgensis“ auf einer Fläche von einem Hektar rund. 450 Tonnen Kohlendioxid jährlich aufnehmen. Projektleiter Martin Kerner von Strategic Science Consult schätzt, dass dabei etwa 150 Tonnen Biomasse entsteht. Kerner sieht für Algen eine viel versprechende Zukunft: „Neue Kraftwerke werden da gebaut werden, wo große Flächen und gute Bedingungen für Algenreaktoren bestehen. Biogasanlagen werden sich an den Rohstoff Alge anpassen und effizienter werden“.


In platten- oder röhrenförmigen Bioreaktoren werden Algen gezüchtet. (Foto: Jörg Ullmann, Bioprodukte Prof. Steinberg)

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Für Biogasanlagen sind Algen hochinteressant – nicht nur als Rohstoff, sondern auch als Saubermacher für das erzeuge Gas. Biogas besteht zu 60 Prozent aus Methan und 40 Prozent aus Kohlendioxid. Nur Methan liefert Energie. Je weniger Kohlendioxid Biogas enthält, desto effizienter ist daher die Stromerzeugung. Reines Methan-Biogas kann zudem in das Erdgasnetz eingespeist werden. Algen mit ihrem Appetit auf Kohlendioxid können helfen: In einer Testanlage der Schmack Biogas AG wachsen Algen in teichähnlichen „open pond“-Bioreaktoren und ernähren sich von Kohlendioxid aus dem Biogas. „Open ponds“ liefern zwar geringere Algenmengen, „sind aber eine kostengünstige und praktikable Lösung für den Landwirt, der die Biogasanlage betreibt“, so Gregor Schneider vom Projektpartner Rent-a-Scientist GmbH. Der Traum vom Kohlendioxid-Fresser Alge allerdings wird wohl einer bleiben: Bei ihrer Verwertung setzen die Algen das gespeicherte Kohlendioxid wieder frei. Zudem bräuchten sie eine Fläche von 8000 Quadratkilometern oder halb Schleswig-Holstein, um die 350 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr zu binden, die deutsche Kraftwerke heute emittieren.

Christine Rüth




 

Pack die Alge in den Tank