aktuell themen archiv links abo download impressum
    Suche
 
 
 
Ausgabe 02/2005
Stromversorgung

Wege in die Energiezukunft

Angesichts der nötigen Umgestaltung der deutschen Stromversorgung untersucht eine kürzlich veröffentlichte Studie der Energietechnischen Gesellschaft (ETG) im VDE unterschiedlich Pfade für die Entwicklung der nächsten 15 Jahre. Die Ausgangssituation: Einerseits müssen bis 2020 veraltete Kraftwerke mit bundesweit rund 40 Gigawatt elektrischer Leistung erneuert werden, einschließlich nach dem Ausstiegsbeschluss abgeschalteter Kernkraftwerke mit über 20 Gigawatt Leistung. Andererseits müssen – um die Kyoto-Ziele bis 2012 zu erfüllen – die Kohlendioxid-Emissionen der fossilen Kraftwerke reduziert werden; bis 2020 ist mit weiteren Reduktionsverpflichtungen zu rechnen. Und schließlich soll nach den Plänen der Bundesregierung die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis 2020 auf mindestens 20 Prozent der Gesamterzeugung erhöht werden.

Für diese Veränderung der deutschen Stromversorgung untersucht die ETG-Studie „Elektrische Energieversorgung 2020 – Perspektiven und Handlungsbedarf“ unterschiedliche Szenarien. Sie analysiert in drei Modellrechnungen, wie sich die unterschiedlich gewichtete Nutzung von erneuerbaren Energien, fossilen Brennstoffen und Kernenergie auf Klimaschutz und Investitionskosten bis zum Jahr 2020 auswirken könnte.


Erreichbare Kohlendioxid- Reduzierung und zugehörige Investitionskosten für die drei Szenarien. (Grafik: nach ETG/VDE)
Bild vergr????ern

Szenario 1 geht entsprechend der derzeitigen Energiepolitik von einer intensiven Förderung regenerativer Energien aus, insbesondere der Windkraft. Dies kompensiert den geplanten vollständigen Ausstieg aus der Kernenergie bis 2020. Die entstehende Energielücke wird durch Gasimporte geschlossen. Insgesamt steigt dabei die installierte Leistung von derzeit knapp 120 auf 165 Gigawatt. Der Kohlendioxid-Ausstoß wird den vom Kyoto-Protokoll für 2012 geforderten Wert von 302 Millionen Tonnen im Jahr 2020 knapp unterschreiten. Die Investitionskosten belaufen sich auf rund 123 Milliarden Euro, davon entfallen 8 Milliarden auf Reservekapazitäten für die Windenergienutzung.

Im zweiten Szenario wird unterstellt, dass die jüngeren Kernkraftwerke länger betrieben werden und 2020 noch die Hälfte der jetzigen Strommenge liefern. Fossile Energieträger bleiben in etwa auf dem heutigen Niveau. Die regenerativen Energien leisten mit 15 Prozent einen relevanten Beitrag zur Stromerzeugung, die Kyoto-Ziele bis 2012 werden eingehalten. Die installierte Leistung kommt in diesem Fall mit rund 145 Gigawatt aus. Der Investitionsaufwand sinkt um knapp 40 Milliarden auf 85 Milliarden Euro, davon 4 Milliarden für fossile Back-up-Kraftwerke zur Absicherung der Windkraftanlagen.

Drastisch weniger Treibhausgas ist das Kennzeichen von Szenario 3: Die erneuerbaren Energien werden auf einen Anteil von 26 Prozent an der Stromversorgung kräftig ausgebaut, vor allem in den Bereichen Wind und Biomasse; die Nutzung der Kernenergie bleibt auf heutigem Niveau. Dafür wird die Stromerzeugung aus Steinkohle erheblich reduziert und der Gasimport nicht so stark hochgefahren wie in Szenario 1. Der Ausstoß von Kohlendioxid sinkt in dieser Rechnung um 39 Prozent auf 192 Millionen Tonnen im Jahr 2020 – weniger als ein Fünftel der Emissionen in Szenario 1. Braunkohle würde – anders als die hoch subventionierte Steinkohle – weiter verstromt. Die Investitionskosten lägen mit rund 100 Milliarden Euro zwischen denen von Szenario 1 und 2. Die installierte Leistung betrüge 150 Gigawatt, davon etwas mehr als ein Drittel aus erneuerbaren Energien. Dieser Ansatz zeigt, wie weit die Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen gehen könnte und wie Raum für künftige Verschärfungen der Kyoto-Ziele zu gewinnen wäre.


Der Szenario 1 bis 3 zugrunde gelegte Energiemix im Vergleich zum heutigen.(Grafik: nach ETG/VDE)
Bild vergr????ern

„Unter diesem Langfristaspekt und bei gleichzeitiger Betrachtung von Wirtschaftlichkeit und Umweltbelastung erscheint das Szenario 2 für den Zeithorizont 2020 das optimale zu sein“, meint der ETG-Vorsitzende Prof. Wolfgang Schröppel: „Die Kyoto-Ziele werden erfüllt, die Investitionskosten sind am niedrigsten und die notwendigen Forschungsarbeiten für zukünftige Technologien können in realistischen Zeiträumen durchgeführt werden. Außerdem bleibt die hohe Zuverlässigkeit des Versorgungssystems erhalten.“ Eine weitere Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen könne durch eine Verschiebung des Energie-Mix von Szenario 2 in Richtung Szenario 3 aufgefangen werden.


Entwicklung der Kohlendioxid- Emissionen für die drei Szenarien bis zum Jahr 2020 (Grafik: nach ETG/VDE)
Bild vergr????ern

Der Blick bis 2020 gibt jedoch keine endgültige Perspektive: Die fossilen Energieträger Gas und Öl zum Beispiel sind nach allen Prognosen innerhalb weniger Generationen verbraucht oder nicht mehr wirtschaftlich zu erschließen. Nur Kohle hat eine deutlich höhere Reichweite. Auch der Kernbrennstoff Uran ist nur begrenzt wirtschaftlich verfügbar. Die Brütertechnologie wäre zwar langfristig nutzbar, wird in Deutschland aber möglicherweise gesellschaftlich nicht akzeptiert. Damit kommen für die weitere Zukunft nur drei Primärenergiequellen in Frage, folgert die ETG-Studie: „Aus heutiger Sicht ist langfristig nur ein Energiemix – bestehend aus den wesentlichen Säulen Erneuerbare Energien, Kohle mit Kohlendioxid-Abspaltung und Kernfusion – zur Stromerzeugung denkbar.“

Das Bundesumweltministerium kritisierte, dass die ETG-Studie von zu niedrigen Kosten für Öl, Gas und Kohle ausgehe und gleichzeitig eine irreal hohe Geschwindigkeit beim Ausbau der erneuerbaren Energien unterstelle. Beide „Rechentricks“ führten dazu, dass der Ausbau Erneuerbarer als nicht finanzierbar erscheine und der Umbau der Energieversorgung zu mehr Effizienz als unrealistisch. Dem entgegnete der ETG auf Anfrage, dass in der Studie überhaupt nicht von Betriebs- oder Rohstoff-Kosten für Öl, Gas und Kohle gesprochen werde, sondern von Investitionskosten für entsprechende Kraftwerke. Die in Szenario 1 angenommene „irreal“ hohe Ausbaugeschwindigkeit für erneuerbare Energien, d h. im wesentlichen Wind, sei sogar geringer als die in der Studie der Deutschen Energie-Agentur DENA (siehe "externe Links") genannte – eine Studie, die von der Regierung angestoßen worden und mit zu verantworten sei.

imi