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Ausgabe 03/2003 |
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Ausgabe 03/2003
Biomüll
Abfall Energieträger mit Zukunft
Eine im Auftrag des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft durchgeführte und jetzt veröffentlichte Untersuchung
des Forschungszentrums Karlsruhe bescheinigt biogenen Rest- und Abfallstoffen
ein erhebliches Zukunftspotenzial. So könnten Stroh, Waldrestholz,
Gülle und ähnliche Stoffe mittelfristig rund 10 Prozent des
deutschen Primärenergiebedarfs decken. Auch lässt sich mit Strom
und Wärme aus Bioabfall der Ausstoß klimarelevanter Treibhausgase
vergleichsweise kostengünstig verringern. Allerdings sind biogene
Rest- und Abfallstoffe als Energiequelle noch nicht wettbewerbsfähig
und somit sind weitere Entwicklungen notwendig.
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Bioabfall wie Stroh, Restholz und Gülle könnte ein wertvoller
Brennstoff werden (Grafik: FZK)
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Die Studie des zum Forschungszentrum Karlsruhe gehörenden Instituts
für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) schätzt
das energetische Potenzial der biogenen Reststoffe ab und untersucht,
wie dieses Potenzial erschlossen werden kann, welche Technologien sich
hierzu besonders eignen, welche Rahmenbedingungen nötig und welche
Auswirkungen von einer verstärkten Förderung zu erwarten sind.
Neben der Logistik zur Bereitstellung solch unterschiedlicher Stoffe wie
Stroh, Waldrestholz, Industrierestholz oder Klärschlamm stehen dabei
rund 40 gängige Verfahren zur Strom- und Wärmegewinnung aus
biogenen Reststoffen auf dem Prüfstand.
Gegenwärtig decken biogene Rest- und Abfallstoffe rund 1,3 Prozent
des deutschen Primärenergiebedarfs ab. In detaillierten Analysen
kommen die Karlsruher Technikforscher zu dem Schluss, dass dieser Anteil
in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten auf 10 Prozent gesteigert
werden könnte. Biogene Rest- und Abfallstoffe würden dann
zu den wichtigsten regenerativen Energieträgern hierzulande gehören,
erläutert Dr. Ludwig Leible, Leiter des ITAS-Projekts Energie
aus biogenen Rest- und Abfallstoffen. In Form von Stroh, Waldrestholz
und Gülle stammen dabei knapp zwei Drittel dieser Stoffe aus der
Land- und Forstwirtschaft.
Neben dem mengenmäßigen Potenzial ist es die Klimakostenbilanz,
welche die biogenen Rest- und Abfallstoffe zu einem Energieträger
mit Zukunft macht. Die ITAS-Wissenschaftler vergleichen die Verfahren
der Bio- und Klärgasnutzung sowie der Verbrennung und Vergasung von
biogenen Reststoffen mit anderen Szenarien zur Emissionsminderung treibhausrelevanter
Gase. Hierbei gelangen sie zu der Einschätzung, dass bei einem Kohlendioxid-Minderungsziel
von 25 oder gar 40 Prozent die mit der Nutzung biogener Reststoffe verbundenen
Mehrkosten von 50 bis 100 Euro pro Tonne Kohlendioxid-Äquivalente
angesichts teurerer Alternativen wie Photovoltaik oder Solarthermie
durchaus zu akzeptieren sind.
Eine konkurrenzfähige Erzeugung von Strom und Wärme aus biogenen
Rest- und Abfallstoffen ist derzeit noch Zukunftsmusik sie bedarf
der politischen Förderung wie der technologischen Optimierung. So
liegen die Stromgestehungskosten aus Importkohle in einem 500-Megawatt-Steinkohlekraftwerk
bei rund 45 Euro pro Megawattstunde (elektrisch), aus Gülle in einer
140-Kilowatt-Biogasanlage bei 80 Euro pro Megawattstunde, aus Waldrestholz
und Stroh in einem Biomassekraftwerk bei rund 120 Euro pro Megawattstunde.
Vergleichsweise gut schneidet die Co-Verbrennung bzw. Co-Vergasung von
Waldrestholz und Stroh im Steinkohlekraftwerk ab; hier sind Gestehungskosten
zwischen 90 und 100 Euro pro Megawattstunde (elektrisch) realisierbar.
Sowohl bei den Verbrennungstechnologien als auch bei denen der Vergasung
und Vergärung wünschen sich die Autoren eine verstärkte
Anwendung der Kraft-Wärme-Kopplung.
Bei der Stromerzeugung aus biogenen Reststoffen, so die Karlsruher Studie,
werden neben der Co-Verbrennung und Co-Vergasung in Steinkohlekraftwerken
die großen Biogas- und Klärgasanlagen als erste die Schwelle
zur Wettbewerbsfähigkeit überschreiten. Volkswirtschaftlich
wäre es zu begrüßen, so Ludwig Leible, wenn
auch die Co-Verbrennung von Biomasse in großen Kraftwerken in den
Genuss der Einspeisevergütung käme und das Erneuerbare-Energien-Gesetz
entsprechend geändert würde. Auch sollte bei der anstehenden
Novellierung des EEG eine der Stromgewinnung analoge Wärmegutschrift
für Wärme aus erneuerbaren Energieträgern erwogen werden.
Die von einer vermehrten Nutzung biogener Rest- und Abfallstoffe ausgehenden
Beschäftigungsimpulse sind gegenüber den erzielbaren Kohlendioxid-Minderungseffekten
nicht mehr als eine positive Begleiterscheinung. Zwar errechnet die Karlsruher
Studie die Zahl von rund 40 000 gesicherten bzw. neu geschaffenen Arbeitsplätzen
für den Fall, dass die Hälfte der verfügbaren Reststoffe
bereitgestellt und energetisch genutzt wird. Dieser Wert relativiert sich
jedoch, wenn man berücksichtigt, dass in der Land- und Forstwirtschaft
derzeit knapp eine Million Personen tätig sind und es darüber
hinaus sicherlich kostengünstigere Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung
im ländlichen Raum gibt.
Justus Hartlieb
L. Leible et al.: Energie
aus biogenen Rest- und Abfallstoffen. Bereitstellung und energetische
Nutzung organischer Rest- und Abfallstoffe sowie Nebenprodukte als Einkommensalternative
für die Land- und Forstwirtschaft Möglichkeiten, Chancen
und Ziele. Karlsruhe: Verlag Forschungszentrum Karlsruhe, 2003 (Reihe
Wissenschaftliche Berichte, Nr. 6882), 278 Seiten
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