In zwanzig Jahren abgasfrei?
Fossile Brennstoffe decken heute 60 Prozent der weltweiten Stromerzeugung. Wünschenswert wären daher hocheffiziente Kohle- und Gaskraftwerke, die bei der Verbrennung deutlich weniger klimaschädliches Kohlendioxid freisetzen als heutige Anlagen. Dies ist das Ziel eines Entwicklungskonzepts, welches das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) in Auftrag gegeben hat: "CO2-Reduktions-Technologien" (COORETEC). Die Studie, an der rund 100 Experten aus Forschung, Industrie und Energiewirtschaft mitwirkten, fasst den aktuellen der Technik zusammen und bewertet künftige, auch visionäre Entwicklungsmöglichkeiten. Langfristig will man alle Emissionen einschließlich Kohlendioxid nahezu auf Null senken. Die notwendigen Technologien lassen sich, so das BMWA, innerhalb der kommenden 15 bis 20 Jahre bereitstellen.
In diesem Zeitraum müssen in Deutschland wie auch in ganz Europa zahlreiche Kraftwerke der 60er und 70er Jahre ersetzt werden. Anlagen einer Gesamtleistung von mehr als 40 Gigawatt in Deutschland, europaweit über 200 Gigawatt werden nötig. Angesichts dieser gewaltigen Größenordnung kommen für den Umbau, so schätzt das BMWA, trotz aller Bemühungen um die erneuerbaren Energien vor allem fossil gefeuerte Kraftwerke in Frage: „Kohle bleibt auf absehbare Zeit bei uns und weltweit die wichtigste Stütze einer nachhaltigen Stromversorgung“, so BMWA-Staatssekretär Georg Wilhelm Adamowitsch.
Die neuen Kraftwerke müssen sowohl wirtschaftlich als auch klima- und umweltverträglich arbeiten. Eine merklich Senkung der Kohlendioxid-Emissionen bei vergleichsweise niedrigen Kosten lässt sich am schnellsten durch die Fortentwicklung bekannter Kraftwerkskonzepte hin zu höheren Wirkungsgraden erreichen. So soll aus der gleichen Menge an Brennstoff mehr Energie gewonnen werden. Dabei entspricht jedes Prozent, um das der Wirkungsgrad des deutschen Kraftwerksparks steigt, der Stromproduktion eines konventionellen Großkraftwerks oder von mehr als tausend Windrädern.
Heute am weitesten verbreitet sind Dampfkraftwerke sowie mit Erdgas befeuerte kombinierte Gas- und Dampfprozesse, so genannte GuD-Kraftwerke. Letztere liefern die höchsten Wirkungsgrade beim geringsten Kohlendioxid-Ausstoß. Bereits heute kostengünstig und zuverlässig, legen sie auch langfristig die Messlatte hoch. Dampfkraftwerke könnten, so die Studie, ihre heutigen Wirkungsgrade von rund 45 Prozent durch konsequente Weiterentwicklung bis 2010 auf ca. 51 Prozent steigern. Noch besser die kombinierten Gas-Dampfturbinenkraftwerke: Von heute um die 58 Prozent könnte der elektrische Wirkungsgrad bis 2010 auf 62 Prozent wachsen.
Mittelfristig könnten auch neue Kraftwerksprozesse – Prozesse mit Kohlevergasung, Kohlenstaubverfeuerung unter hohem Druck oder Druckwirbelschichtfeuerung – einsatzreif werden, die Wirkungsgrade von mehr als 55 Prozent erwarten lassen. Die Verfahren werden heute schon erprobt, haben sich bisher kommerziell jedoch noch nicht durchsetzen können. Langfristig aussichtsreich könnten vor allem so genannte Hybridprozesse sein – Gasturbinen-Kombi-Kraftwerke mit vorgeschalteten Hochdruck-Hochtemperatur-Brennstoffzellen, auch in Kombinationen mit Kohlevergasung und GuD-Prozess. Derartige Anlagen kommen rein rechnerisch auf sehr hohe Wirkungsgrade von rund 70 Prozent.
Bei Nutzung aller Entwicklungsmöglichkeiten können diese Techniken den heutigen Ausstoß an Kohlendioxid um rund 30 Prozent senken – eine beachtliche Zahl, angesichts der Tatsache, dass die Stromerzeugung in Deutschland für gut ein Drittel der Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich ist.
Noch ehrgeiziger ist die Langfristperspektive – ein völlig Kohlendioxid-freies Kraftwerk. Dazu muss das entstehende Gas aufgefangen und anschließend deponiert werden. Abscheideprozesse sind zwar bereits bekannt, müssen jedoch unter Kraftwerksbedingungen noch untersucht werden. Allerdings sind – je nach Abscheideverfahren und Kraftwerkskonzept – wohl erhebliche Wirkungsgradeinbußen von sechs bis 14 Prozent zu erwarten. Bei gleicher Nennleistung des Kraftwerks wird also zehn bis 35 Prozent mehr Brennstoff benötigt sowie 30 bis 150 Prozent an zusätzlichen Investitionen.
Speichermöglichkeiten für das abgetrennte Kohlendioxid könnten in Deutschland erschöpfte Gasfelder bieten, tiefe Salzwasser führende Grundwasserleiter, so genannte Aquifere, oder wirtschaftlich nicht abbaubare Kohleflöze (siehe Energie-Perspektiven 3/02: Artikel zu Kohlendioxid-Entsorgung und Interview "Kohlendioxid aus Abgasen entfernen"). Ehemalige Kohle- und Salzbergwerke kommen aus Sicherheitsgründen nicht in Frage; ungelöste Probleme gibt es auch bei der Deponierung als Trockeneis, der Speicherung im Meer oder der Umwandlung von Magnesiumsilikaten zu Karbonaten. Die Kosten für Transport und Speicherung des komprimierten und verflüssigten Gases werden in der Studie auf etwa 10 bis 24 Euro pro Tonne Kohlendioxid geschätzt.
imi