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Ausgabe 01/2015
Fossile Energien

Enteignung für den Klimaschutz?     

Falls der Mensch alle derzeit bekannten Lagerstätten von Kohle, Öl und Gas nutzen sollte, entstünden schätzungsweise 11.000 Milliarden Tonnen Kohlendioxid. Nur noch rund 1.100 Milliarden Tonnen dürfen jedoch nach Auskunft des Weltklimarates IPCC in die Atmosphäre gelangen, wenn die Erderwärmung in noch erträglichen Grenzen von zwei Grad gehalten werden soll. Etwa 90 Prozent der heute bekannten fossilen Brennstoffe – und alle, die noch entdeckt werden – müssten demnach in der Erde bleiben.


Braunkohle – wieviel darf noch verbrannt werden? (Foto: Panthermedia)

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Das wäre eine historisch beispiellose Entwertung fossiler Ressourcen und faktisch eine Enteignung der Besitzer, meint der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgeforschung, Prof. Hans Joachim Schellnhuber: „Wie wenn sie eine Goldmine haben, aber nur noch ein Zehntel davon ausgraben dürfen.“ Und tatsächlich haben einige Ölstaaten Entschädigungszahlungen gefordert, falls sie ihre Ressourcen aus Klimaschutzgründen im Boden lassen sollen. Ärmere Staaten möchten Geld, damit sie es sich leisten können, ihren Urwald zu bewahren.

Wenn der Mensch aber Ölfelder, Urwälder und andere Ressourcen weiter wie bisher ausbeutet, wird die Durchschnittstemperatur auf der Erdoberfläche nach IPCC-Schätzungen bis 2100 – im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung – um 3,7 bis 4,8 Grad steigen. „Die Differenz entspricht ungefähr der zwischen einer Eiszeit und einer Warmzeit“, so Schellnhuber. Allerdings reagiere das Klimasystem sehr langsam. „Das Hinterhältige ist, dass die Entscheidungen über das Klima der Zukunft eben heute getroffen werden“.

Christophe McGlade und Paul Ekins vom University College London gehen davon aus, dass die derzeit technisch und lukrativ förderbaren Reserven etwa 2.900 Milliarden Tonnen Kohlendioxid entsprechen. Im Journal „Nature“ schlagen sie vor, was davon in der Erde bleiben soll. Um die Erderwärmung mit einer Chance von 50 Prozent auf zwei Grad zu begrenzen, müssten weltweit 35 Prozent der gegenwärtig förderbaren Ölreserven ungenutzt bleiben, bei Gas sollten es gut 50 und bei Kohle rund 90 Prozent sein.


Der neueste IPCC-Bericht 2014 (Grafik: IPCC)
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Zudem haben die Forscher berechnet, wo Ressourcen besonders günstig ausgebeutet werden können: In Europa sollten 89 Prozent der derzeit lukrativ förderbaren Kohle im Boden bleiben, in den USA 95 Prozent, in China und Indien zusammen 77 Prozent. Im Nahen Osten müssten 38 Prozent des Öls ungenutzt bleiben, in Kanada 75 Prozent. Erdgas dürfte etwa in den USA noch im großen Umfang gefördert werden: Dort sollten nur 6 Prozent der Gaslagerstätten im Boden bleiben. Die fossilen Vorräte in der Arktis sollten dagegen gar nicht angetastet werden. Selbst wenn Kohlendioxid einmal per CCS-Technik (siehe Energie-Perspektiven 4/2014) im Boden gespeichert werden sollte, ändere sich das Ergebnis nur geringfügig.

„Einige Entwicklungsländer fragen sich natürlich, warum sie ihre vorhandenen Reserven ungenutzt lassen sollten, wenn dies doch ihr vorrangiges Ziel – die Bekämpfung der Armut – erschwert“, meint Michael Jakob vom Mercator-Klimaforschungsinstitut mit Blick auf fossile Energieträger und Wälder. „Eine erfolgreiche Klimapolitik ist letztlich eine Frage der Entschädigung“. Nur ein globales Klimaübereinkommen, das Verluste erstatte und von allen Teilnehmern als gerecht empfunden werde, könne auf lange Sicht die Nutzung fossiler Energieträger streng begrenzen.

Simone Humml


Literaturhinweis:

Christophe McGlade, Paul Ekins: The geographical distribution of fossil fuels unused when limiting global warming to 2 °C. In: Nature, Band 517, 8. Januar 2015, Seite 187 - 190, doi:10.1038/nature14016