Erdgas aus der Tiefsee
Entlang der Ozeanränder lagern riesige Mengen Methan. Experten schätzen, dass sich daraus soviel Energie gewinnen ließe wie aus allen bekannten konventionellen Quellen von Erdgas, Erdöl und Kohle zusammen (siehe Energie-Perspektiven 3/2008). Methan entsteht überall dort, wo Bakterien in feuchter Umgebung und unter Luftabschluss organische Substanz abbauen. Unter hohem Druck und bei tiefen Temperaturen – also in Wassertiefen von einigen hundert bis tausend Metern – bildet sich zusammen mit Wasser Methanhydrat, eine eisähnliche Substanz, in der das Gas gebunden ist. In den letzten drei Jahren haben Wissenschaftler und Industrie ozeanische Methanhydratvorkommen im Rahmen des Forschungsprojekts SUGAR (Submarine Gashydrat-Lagerstätten: Erkundung, Abbau und Transport) erkundet und Techniken für den Abbau und Transport entwickelt. Nun geht SUGAR in die zweite Runde und soll bis 2014 wirtschaftliche Verfahren für die Gewinnung von Methan aus Gashydraten erarbeiten. Ziel des von den Bundesministerien für Wirtschaft sowie für Bildung und Wissenschaft geförderten Projekts ist, dass deutsche Technologien bei der Gewinnung des Rohstoffs zum Einsatz kommen.
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Gashydratschichten in einem Brocken Tiefseesediment. (Foto: IFM-GEOMAR)
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Professor Klaus Wallmann vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften koordiniert das Projekt. Die Kieler entwickeln unter anderem Erkundungstechniken. „Mit Hilfe einer sehr genauen Echolotmessung können wir sogar in tausend Meter Wassertiefe aufsteigende Bläschen erkennen, die auf Gasvorkommen im Boden hinweisen. Die Umgebung wird darauf hin mit Schallwellen und elektromagnetischen Methoden genauer vermessen“, erklärt Wallmann. Erste Tests vor Neuseeland und im Schwarzen Meer waren bereits erfolgreich. Auch die Größe des ozeanischen Gasschatzes ist nun besser bekannt. Bisher schätzten Experten die Menge an Kohlenstoff – dem Energieträger fossiler Brennstoffe – in Gashydraten auf 1.000 bis 10.000 Gigatonnen. Neue Simulationsrechnungen beziffern die Obergrenze nun auf 5.000 Gigatonnen.
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Methanhydrat – die eisähnliche Substanz enthält große Mengen von Methan und ist brennbar (Foto: IFM-GEOMAR) |
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Nicht alle Gashydratfelder eignen sich zum Abbau. Manche liegen an steilen Abhängen, die sie wie Zement festigen. „Diese Hänge könnten abrutschen und Methan würde in die Atmosphäre entweichen. Außerdem verlöre man sämtliches Bohrgerät“, sagt Wallmann. Tsunamis allerdings, wie in Frank Schätzings Thriller „Der Schwarm“ beschrieben, könnten nicht auftreten, betont er. Methan ist ein äußerst wirksames Klimagas – gut 20 bis 30 mal stärker wirksam als Kohlendioxid. Es darf beim Abbau daher nicht in die Luft gelangen. Die Gashydratfelder müssen also relativ eben und überdies durch eine gut hundert Meter dicke Tonschicht abgedichtet sein. Zwischen Gashydrat und Ton braucht es wiederum eine Schicht porösen Sands, durch den das Gas zum Bohrloch strömen kann.
Zum Abbau wird Wasser aus dem Hydratfeld abgepumpt, um den Druck zu reduzieren. Die Hydrate lösen sich auf und geben das Gas frei, das zusammen mit dem Wasser gefördert wird. Doch mit dem Druck sinkt auch die Temperatur, so dass nach einigen Monaten des Förderns sich wieder Methanhydrat bildet und die Quelle versiegt – ein Nachteil, der auch Vorteile hat. Ein Blow-out, also eine immer weiter sprudelnde Quelle wie bei Ölkatastrophen, kann mit Gashydraten nicht passieren.
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Mit geophysikalischen Messverfahren werden Gashydratvorkommen gesucht und beprobt. (Foto: M. Haeckel, IFM-GEOMAR)
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Im Kieler Labor steht ein Drucktank, in dem die Wissenschaftler Methanhydrate erzeugen und Methoden entwickeln, um die Gasfördermenge zu erhöhen. Ihr Trick: Sie pumpen flüssiges Kohlendioxid in das Hydratfeld. Das Gas reagiert mit dem Methan, presst es aus der Quelle und bildet selbst ein Gashydrat. Bei dieser Reaktion wird Wärme frei, was den Gasfluss weiter erhöht. Gleichzeitig böte sich so eine sichere Deponie für das klimaschädliche Kohlendioxid. „Gashydrate mit Kohlendioxid sind stabiler als Methanhydrate. Das Gas bleibt also sicher im Meeresboden gebunden“, so Wallmann. Um etwa einen Faktor zehn konnten die Wissenschaftler so die Förderrate verbessern, doch zufrieden sind sie noch nicht. Mit biologisch abbaubaren Polymeren, die das Methanhydrat weiter zersetzen, erhöhte sich die Förderrate um einen weiteren Faktor drei. In der letzten Projektphase von SUGAR II soll die Förderung von Gashydraten erstmals in einer Probebohrung vor Indien getestet werden. Erste kommerzielle Testinstallationen erwarten Experten etwa bis 2015.
Christine Rüth