Gashydrate – brennbares Eis
Am Meeresboden ruht ein gigantisches Energiepotential: Methanhydrat. Grob geschätzt ist hierin doppelt soviel Kohlenstoff zu finden, wie in allen bekannten Erdgas-, Erdöl- und Kohlevorkommen zusammen. Der seltsame, schneeartige Stoff besteht aus gefrorenem Wasser und Methan, dem Hauptbestandteil von Erdgas, und ist brennbar.
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Methanhydrat sieht aus wie Schnee, ist aber brennbar. (Foto: MARUM, Universität Bremen)
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Im Kristallgitter des Eises sitzen die Methanmoleküle wie in Käfigen gefangen (siehe Energie-Perspektiven 1/2000). Die Verbindung bildet sich bei tiefen Temperaturen und hohem Druck, wenn genug Methan aus dem Abbau organischer Substanz durch Bakterien vorhanden ist: an Land im arktischen Permafrostboden oder in mächtigen Ablagerungen einige hundert Meter tief an den Kontinentalhängen des Meeres – dort, wo die flachen Schelfmeere in die Tiefsee übergehen.
Abgebaut wurden Gashydrate bisher kaum. Doch die Verlockung, den riesigen Brennstoffvorrat anzuzapfen, ist groß: In Japan, den USA, Kanada, Südkorea, China und Indien laufen zurzeit umfangreiche Entwicklungsprogramme; der großflächige Abbau im Meer soll in rund zehn Jahren beginnen. Obwohl es an den Küsten Deutschlands keine Hydratlagerstätten gibt, widmet man sich auch hier dem Thema: Das SUGAR-Verbundprojekt, ein von Forschungs- und Wirtschaftsministerium geförderter Zusammenschluss von Wissenschaft und Industrie, will neue Technologien für die gesamte potentielle Verwertungskette entwickeln und anschließend vermarkten – vom Aufspüren ergiebiger Lagerstätten über die sichere Förderung bis hin zum Abtransport des Methans in Form von Hydrat-Pellets in speziellen, mit wärmeisolierten Tanks ausgerüsteten Schiffen.
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Struktur von Gashydraten (Grafik: E. Suess et al., 1999) |
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Der Abbau ist allerdings alles andere als unproblematisch: Ohne den Druck und die Kälte der Tiefsee zerfällt das Hydrat schnell in seine Bestandteile. Das frei werdende Methan ist ein hochwirksames Treibhausgas – 30-mal schädlicher als Kohlendioxid. Und auch das Verbrennen des geförderten Methans würde den Treibhauseffekt verschärfen.
Um das Verfahren klimafreundlicher zu gestalten, will man deshalb den Hydratabbau mit der Deponierung von Kohlendioxid verbinden, das zuvor aus den Abgasen von Kohlekraftwerken abgetrennt wurde. Die Idee: Flüssiges Kohlendioxid, das in die Hydrat-Lagerstätten eingespritzt wird, zersetzt das Methanhydrat; an dessen Stelle bildet sich Kohlendioxid-Hydrat. „Im Labor hat das schon funktioniert“, sagt Professor Dr. Gregor Rehder vom Institut für Ostseeforschung in Warnemünde.
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Gashydrate in Sedimentgestein, gefördert vom Meeresboden (Foto: MARUM, Universität Bremen)
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Aus Brennstoff-Lagerstätten würden so Deponien für Treibhausgas – zu einigermaßen ausgeglichenen Kosten, hofft das SUGAR-Konsortium, da zugleich wertvolles Erdgas gewonnen wird. Im Vergleich zu anderen Konzepten, Kohlendioxid in Aquiferen oder Hohlräumen unter der Landoberfläche loszuwerden oder es im Tiefseewasser zu lösen, böte die Methode Vorteile: Als festes, recht temperaturstabiles Hydrat würde das Gas unbeweglich. Sedimente mit hohem Karbonat- und Tonmineralanteil könnten es langfristig neutralisieren. Und im Fall einer Leckage gäbe es immer noch den Ozean als Barriere zur Atmosphäre. „Ohnehin sind mittlerweile etwa vierzig Prozent des seit Beginn der Industrialisierung produzierten Kohlendioxids im Meer gelandet“, meint Gregor Rehder: „Nur der Weg in den tiefen Ozean dauert länger – 500 bis 1000 Jahre“.
Dennoch: In den Meeren sind die Folgen der Versauerung durch das vom Menschen freigesetzte Kohlendioxid nicht mehr zu verleugnen. Wie aber wirkt es sich in der Tiefsee aus? Dies sollte Anfang des Jahres eine Expedition des deutschen Forschungsschiffes SONNE in das südchinesische Meer klären. Hier im Okinawa-Trog findet sich eine der wenigen Stellen, an denen natürliches Kohlendioxid aus dem Tiefseeboden austritt. Auch die Umwandlung von flüssigem Kohlendioxid und Wasser zu Hydrat ist hier zu beobachten.
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Tiefseefauna im südchinesischen Meer (Foto: IOW) |
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Projektleiter Gregor Rehder: „In dem sauren Wasser fanden wir Schwefelbakterien, Muscheln, Krabben und Seespinnen – also eine Lebensgemeinschaft, die wir von anderen Tiefsee-Systemen kennen. Nahezu tot waren jedoch die Sedimente. In ihren Porenräumen scheint das Kohlendioxid so zu wirken, dass selbst robuste Extremophile an ihre Grenze stoßen.“ Hier habe es auch Anzeichen für beschleunigte Verwitterung gegeben, d.h. für eine teilweise Neutralisierung der Kohlensäure. Verdächtig niedrig schien der Eisengehalt der Sedimente: „Die Mobilisation von Metallen, unter Umständen auch von giftigen Schwermetallen, könnte damit ein Kernproblem beim Einlagern von Kohlendioxid in Gesteinsformationen werden“, sagt Gregor Rehder.
Unabhängig von den ökologischen Auswirkungen fragt er sich aber auch grundsätzlich, ob angesichts der gewaltigen Effizienz-Einbuße von etwa 30 Prozent das energieaufwändige Abscheiden und Deponieren von Kohlendioxid sinnvoll ist: „Zwei heilige Kühe der Umweltpolitik sind gegeneinander abzuwägen – Reduzierung der Kohlendioxidemission gegen effizienten Umgang mit den Ressourcen fossiler Energieträger.“
imi