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Ausgabe 03/2011 |
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Ausgabe 03/2011
Kapazitätsmarkt
Flexible Kraftwerke gesucht
In den nächsten Jahrzehnten sollen erneuerbare Energien immer größere Anteile der Stromversorgung übernehmen. Die Unregelmäßigkeiten von Solar- und Windstrom müssen dabei Kraftwerke abpuffern, die jederzeit verfügbar sind und sofort einspringen können, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Wie groß der Bedarf an diesen Reservekraftwerken sein wird, hat jetzt der Bundesverband Neuer Energieanbieter (BNE), ein Zusammenschluss kleinerer Strom- und Gasanbieter, untersuchen lassen: Im Jahr 2022 werden in Deutschland etwa 10 Gigawatt elektrische Leistung fehlen, so eine vom Büro für Energiewirtschaft und technische Planung (BET) erstellte Studie. Um knappheitsbedingte Extrempreise oder gar Versorgungsausfälle zu vermeiden, müssten in großem Umfang neue, flexible und schnell regelbare Ersatzkraftwerke gebaut werden.
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Das Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk Irsching 4 (Foto: Siemens-Pressebild) | | |
Die fehlende Leistung wird in Deutschland nach den BET-Berechnungen im Jahr 2022 zwar nur wenige Tage im Jahr benötigt – dann allerdings sofort und komplett. Das Problem: Unter solchen Bedingungen rechnen sich neue Kraftwerke nicht. Deshalb müsse ein völlig neues Markt-Design entwickelt werden, das Anreize für die passgenaue Bereitstellung künftiger Kapazität gibt – ein „Kapazitätsmarkt“: Bezahlt würde hier nicht nur der erzeugte Strom, sondern vor allem die Fähigkeit, in Spitzenbedarfszeiten Strom anbieten zu können.
Diese Idee wird im Kontext der Energiewende jetzt öfter angesprochen. Allerdings stellt das Energiekonzept der Bundesregierung fest, die wissenschaftliche Diskussion stehe hier „noch ganz am Anfang.“ Es sei zu klären, „welche Kosten entstehen, wie diese minimiert und wie sie verteilt werden“ – bei Stärkung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs. „Bevor das Marktsystem gravierend verändert wird, sollten wir uns jetzt die nötige Zeit nehmen,“ mahnt auch Hildegard Müller vom Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW), „die verschiedenen Ideen zu beurteilen“. Eine Umfrage des BDEW unter seinen Mitgliedsunternehmen soll dazu beitragen.
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Jahresvolllaststunden der deutschen Kraftwerke (Grafik: BDEW) |
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Die BET-Studie schlägt ein Auktionsmodell vor: Ein neutraler Koordinator prüft jährlich, ob die vorhandene Erzeuger-Kapazität ausreicht, den in fünf Jahren zu erwartenden Bedarf zu decken. Fehlende Kapazitäten werden dann im Rahmen einer Auktion ausgeschrieben: gegen eine Einmalzahlung für die angebotene Kapazität. Diese Kosten – über deren Höhe die Studie keine Aussagen macht – werden bundesweit einheitlich auf den Strompreis umgelegt.
Um fehlende Kapazität auszugleichen, wählt das Modell die im Augenblick volkswirtschaftlich sinnvollste Variante: Aus heutiger Sicht kommen damit ausschließlich Gaskraftwerke in Frage. Künftig könnten, falls sie konkurrenzfähig werden, aber auch dezentrale Erzeuger oder Speicher hinzukommen.
Die Studie versteht sich als „Diskussionsbeitrag“ bei weiterhin bestehendem Forschungsbedarf, verweist zugleich aber auf die Dringlichkeit des Problems: „Bedenkt man“, sagt BNE-Geschäftsführer Robert Busch, „dass die politische Diskussion um die detaillierten neuen Spielregeln zwei Jahre in Anspruch nehmen kann, die Etablierung des neuen Marktes ebenfalls, und geht man davon aus, dass die Genehmigungs- und Bauzeit neuer Gaskraftwerke etwa fünf Jahre dauert, besteht enormer Handlungsdruck.“
imi
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