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Ausgabe 03/2011
Meeresenergie

Wellenkraftwerk am Netz

Gewaltige Energien stecken in den Meereswellen – geschätzte achtzig Billiarden Kilowattstunden pro Jahr, ein Mehrfaches des jährlichen Weltstromverbrauchs. Einen winzigen Teil davon erntet seit kurzem ein kleines 300-Kilowatt-Kraftwerk an der Atlantikküste vor der baskischen Hafenstadt Mutriku. Das vom Energieversorger Ente Vasco de la Energía (EVE) Anfang Juli in Betrieb genommene Wellenkraftwerk erzeugt Strom für maximal 250 Haushalte. Entlang der 200 Kilometer langen Küstenlinie des Baskenlandes könnten, so schätzt EVE, Wellenkraftwerke theoretisch bis zu zehn Prozent des Strombedarfs liefern. Die „vor-kommerzielle“ Anlage in Mutriku soll zunächst die wirtschaftliche Tauglichkeit erproben.


Das Wellenkraftwerk in Mutriku, eingebaut in die Hafenmole. (Foto: EVE)

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Das nach dem Prinzip der „schwingenden Wassersäule“ arbeitende Kraftwerk ist in die dem Hafen vorgelagerte Mole eingebaut: Im Rhythmus des Wellengangs hebt und senkt sich der Wasserstand in einem zum Meer hin offenen Betongehäuse. Im steten Wechsel drückt das Wasser die darüber stehende Luft durch eine Turbine hindurch und saugt sie beim Abfließen wieder zurück. Über einen Generator erzeugt die in Drehung versetzte Turbine Strom. Obwohl sie bei jedem Wellen-Auf und -Ab in gegenläufiger Richtung durchströmt wird, wechselt sie ihre Drehrichtung nicht – die Spezialität der nach ihrem Erfinder benannten Wells-Turbine. So reicht eine Turbine für beide Strömungsrichtungen; störanfällige Umlenk-Klappen werden überflüssig.

Die 16 Wells-Turbinen für das Wellenkraftwerk in Mutriku hat der deutsche Technologieausrüster Voith Hydro geliefert. Die nötige Erfahrung gewann man mit dem 500-Kilowatt-Wellenkraftwerk Limpet auf der schottischen Insel Islay (siehe Energie-Perspektiven 3/2009), einem Projekt der britischen Firma Wavegen, die 2005 von Voith Siemens Hydro übernommen wurde. Auf der gleichen Technik aufbauend, speist die Anlage seit über zehn Jahren Strom ins Netz.


16 Wells-Turbinen erzeugen Strom aus der Kraft der Meereswellen (Foto: EVE)
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Trotz dieser Erfolge steht Meeresenergie erst am Beginn ihrer Erschließung – mit vorerst hohen Preisen. Für das mit Forschungsmitteln der EU unterstützte Kraftwerk in Mutriku schlagen Investitionskosten von 2,3 Millionen Euro zu Buche. Daher fordert Dr. Roland Münch von der Geschäftsführung der Voith Hydro Holding „angemessene Einspeisevergütungen für Wellenkraft, wie sie bereits in einigen Ländern existieren“. In Großbritannien zum Beispiel sind dies 35 Cent pro Kilowattstunde – mehr als hierzulande der mit den höchsten Einspeisevergütungen bedachte Photovoltaikstrom erhält.

Die Herausforderung liegt in der ungebärdigen Energiequelle selbst. Die korrosive Wirkung des Meerwassers, die Unstetigkeit der Wellen und ihre mitunter große Zerstörungskraft sind für die Anlagen extrem belastend. Dabei sind kräftiger Wellengang und ausreichende Wassertiefe unbedingte Voraussetzungen für einen guten Standort – Anforderungen, wie sie in Europa an portugiesischen, spanischen und britischen Küsten erfüllt sind, kaum jedoch in Deutschland. Pläne des Energiekonzerns EnBW, in Zusammenarbeit mit Voith Hydro an der deutschen Nordseeküste bis 2010 ein Wellenkraftwerk zu bauen, wurden aufgegeben: „Die Bedingungen für einen wirtschaftlichen Betrieb, vor allem die notwendige Wellenhöhe, konnten an keinem der potenziellen Standorte gefunden werden“, erklärt EnBW.

Ähnliches, so der Nationale Masterplan „Maritime Technologien“ des Bundeswirtschaftsministeriums, gilt auch für die übrigen Energiequellen des Meeres wie Tidenhub, Strömung, Salzgehalt- oder Temperaturunterschiede: „In der deutschen Nord- und Ostsee besteht aufgrund der hydrographischen Bedingungen kaum Potenzial für eine kommerzielle Nutzung. Die Chancen der deutschen Industrie liegen im Ausland.“

imi