Regeln für das Endlager
Mehrere Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich erzeugt ein großes Kohlekraftwerk. Ob und wie man das klimaschädliche Gas im Untergrund loswerden kann, untersuchen weltweit zahlreiche Forschungsprojekte. Das Kohlendioxid muss dazu abgetrennt und aufgefangen, dann verflüssigt in geeignete Speicher untertage verpresst und dauerhaft eingeschlossen werden.
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Pilotanlage für Kohlendioxid-Abscheidung am Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe (Foto: Vattenfall)
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Einen rechtlichen Rahmen für dieses „Carbon Capture and Storage“ (CCS) genannte Verfahren hat die EU-Kommission vorgegeben. Die Richtlinie wird in Kürze in Kraft treten und ist dann innerhalb von zwei Jahren von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen. Entsprechend hat das Bundeskabinett im April 2009 einen Gesetzentwurf zur Regelung von Abscheidung, Transport und Speicherung von Kohlendioxid beschlossen. Noch vor der Bundestagswahl wollte man das Gesetz ursprünglich verabschieden. Ende Juni wurde dies jedoch auf die kommende Legislaturperiode verschoben.
Auf Betreiberseite wünscht man sich baldige Rechtssicherheit: „Sonst können die großen Investitionen für die CCS-Technologie nicht ausgelöst werden“, erklärte Klaus von Trotha vom Informationszentrum klimafreundliches Kohlekraftwerk. Von Umweltverbänden wurde der Gesetzentwurf – obwohl er zum Teil deutlich über die Anforderungen der EU-Richtlinie hinausgeht – jedoch schon während der Ausarbeitung kritisiert. Vor kurzem schlossen sich auch die Umweltberater der Bundesregierung an: „Wir warnen vor übereilten Weichenstellungen“, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU), Professor Dr. Martin Faulstich. Einer der Kritikpunkte: Das Gesetz soll nicht nur die Erprobung, sondern auch die Nutzung der CCS-Technologie regulieren. Das geht dem SRU zu weit: „Die kommerzielle Anwendung von CCS in Deutschland sollte heute noch nicht geregelt werden. Ein Forschungsgesetz gibt uns Zeit, die Chancen und Risiken von CCS gründlich zu bewerten, die notwendige gesellschaftliche Debatte zu führen, und über die beste Nutzung der unterirdischen Räume zu entscheiden.“ Die knappen Speicherräume – in Deutschland vor allem in den nördlichen und östlichen Bundesländern – würden nämlich ebenso für die Nutzung von Tiefen-Erdwärme, für Erdgas- bzw. Wasserstoff- oder Druckluftspeicher benötigt.
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Unterirdische Speichermöglichkeiten für Kohlendioxid in Deutschland (Grafik: BGR) |
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Zudem seien die ökologischen Risiken noch ungeklärt. Es fehlten, so der SRU, sowohl belastbare Erkenntnisse über die Folgen einer Kohlendioxid-Freisetzung als auch über geochemische Prozesse im Gestein, die zu Rissbildung führen könnten. Der plötzliche Austritt des Gases bei Unfällen oder Leckagen könne die Gesundheit und das Leben von Menschen und Tieren bedrohen. Als zum Beispiel 1986 in Kamerun der Nyos-See schlagartig rund 1,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid freisetzte, wurden in 27 Kilometer Umkreis viele hundert Menschen und Tiere getötet.
Wissenschaftlich nicht ausreichend untersucht seien auch die Auswirkungen auf die direkte Speicherumgebung, beispielsweise das Grundwasser. Insbesondere sei offen, welche Auswirkungen die Verpressung großer Mengen von Kohlendioxid auf die umliegenden Gesteinsschichten haben wird. Insgesamt empfiehlt der SRU, die Langzeitsicherheit von CCS weiter zu erforschen, bis auszuschließen ist, dass durch die Speicherung von Kohlendioxid im Untergrund unkalkulierbare Umweltauswirkungen drohen.
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Bodengasmessung (Foto: BGR)
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Auch befürchtet der SRU hohe finanzielle Risiken für die Gesellschaft. Nur 30 Jahre nach der Verfüllung soll laut Gesetzentwurf die Verantwortung vom Betreiber quasi „für die Ewigkeit“ auf die Bundesländer übergehen, in denen die Kohlendioxid-Speicher liegen: „Der Zugang zu der begrenzten Ressource Speicherkapazität wird kostenfrei gewährt, die Haftung für Schäden und Risiken der Betreiber wird zeitlich und im Umfang begrenzt, und der Staat übernimmt langfristig die Verantwortung für den Erwerb von Emissionsrechten im Falle von Leckagen. Der mögliche Übergang der Verantwortung bereits dreißig Jahre nach Stilllegung eines Speichers stellt eine ungerechtfertigte Verlagerung der Langzeitkosten auf die betroffenen Bundesländer dar. Die finanziellen Risiken würden von den Ländern insbesondere im Norden und Osten Deutschlands getragen.“ Eine geforderte „Speicherabgabe“, mit der Brandenburg und die deutschen Küstenländer sich gegen künftige Risiken sichern wollten, fand im Bundesrat jedoch keine Mehrheit.
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Kohlendioxid-Speicherung schematisch (Grafik: Vattenfall) |
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Derzeit offen ist die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens. Im Rahmen des Emissionshandels ist es heute wegen der hohen Kosten noch nicht wettbewerbsfähig. Noch senkt CCS den Wirkungsgrad eines Kraftwerks um gut 10 Prozent; entsprechend mehr Brennstoff wird also benötigt. Andererseits: Kohle bleibt noch lange das Rückgrat der weltweiten Energieversorgung. Auch in dem vom Bundesumweltministerium vorgelegten Konzept für die Energieversorgung nach dem Atomausstieg spielt sie eine wichtige Rolle: Obwohl in einem Jahrzehnt statt heute 15 über 30 Prozent des Stromes von Erneuerbaren Energien erzeugt werden sollen, werden immer noch fossile Kraftwerke die Hauptversorgung tragen. CCS soll mit dafür sorgen, dass Deutschland trotzdem seine klimapolitischen Ziele erreichen kann.
Wie auch immer CCS geregelt wird – über eines ist man sich einig: Wegen der weltweit begrenzten Speicherkapazitäten kann es nur eine Übergangslösung sein. Letztlich müssen umweltfreundlichere Energiequellen gefunden werden.
imi