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Ausgabe 04/2006
Windenergie

Steckdose auf See

Rund 300 Windräder stehen in der Nordsee vor den Küsten der Niederlande, Dänemarks, Schwedens, Großbritanniens und Irlands. In deutschen Gewässern dagegen drehen sich bis heute lediglich zwei Testräder vor Emden und Rostock. Dabei sollte nach der Strategie der Bundesregierung der Wind über Nord- und Ostsee in vier Jahren bereits 3.000 Megawatt elektrische Leistung liefern.


Windpark Horns Rev in der dänischen Nordsee.
(Foto: Vestas Central Europe)

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Im Unterschied zu den europäischen Nachbarn müssen in Deutschland – vor allem aus Naturschutzgründen – die meisten Offshore-Windparks weit draußen im Meer in 30 bis 100 Kilometer Entfernung von der Küste errichtet werden, erklärt der Bundesverband Windenergie (BWE) diesen schleppenden Aufbau. Im bis zu 40 Meter tiefen Wasser sind die Anforderungen an Fundament und Turm des Windrades wesentlich höher als direkt vor der Küste, auch Kabellegung, Netzanbindung und Wartung der Anlagen sind viel schwieriger. Das raue Seeklima macht zudem einen besonderen Korrosionsschutz für Elektrik und Getriebe nötig. Alles in allem sind Windparks auf See daher doppelt so teuer wie an Land, so der BWE: je nach Standort bis zu 2,5 Millionen Euro pro installiertem Megawatt.


Pro Jahr in Deutschland an Land zugebaute Windkraftanlagen (installierte Megawatt von 1991 bis 2006): (Daten: nach BWE )
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Eine erhebliche, bis zu 30-prozentige Kostenentlastung verspricht jetzt ein neues Gesetz zur Beschleunigung der Infrastrukturplanung: Danach muss den Netzanschluss von Offshore-Windparks, deren Bau bis Ende 2011 begonnen wird, nicht der Investor sondern der Netzbetreiber bezahlen. Die Kosten für diese „Steckdose auf See“ werden dann auf alle Stromkunden umgelegt. „Für die Offshore-Windenergie ist das ein deutlicher Schritt in die richtige Richtung, den Bau erster Windparks auf See wirtschaftlich zu machen“, meint BWE-Vizepräsident Hermann Albers. Durch die Neuregelung werde ein jahrelanger Investitionsstau beim Ausbau der Windenergie in der deutschen Nord- und Ostsee beseitigt, freut sich auch Fritz Vahrenholt vom Windradhersteller Repower Systems: „Damit sind Offshore-Windkraft und konventionelle Kraftwerke an Land endlich gleichgestellt“. Bis 2011 werden seiner Einschätzung nach 1.500 Megawatt ans Netz gehen können, fünf neue Kabel müssten hierfür gebaut werden.

Bis zu seiner Bestätigung im Bundesrat stieß der Gesetzentwurf allerdings auf heftigen Widerstand von einigen Industrieverbänden und Bundesländern: Eine „versteckte Milliarden-Subventionierung für Windkraftanlagen auf hoher See durch intransparente Stromnetzentgelte“ nannte Hessens Wirtschaftsminister Dr. Alois Rhiel die Regelung. In einer gemeinsamen Presseerklärung zusammen mit Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen wetterte er gegen die „neue Belastung der Stromverbraucher“ und lehnte eine zusätzliche, über das Erneuerbare-Energien-Gesetz hinausgehende Unterstützung von Windkraftanlagen auf dem Meer ab.



Offshore-Windanlagen in der deutschen Nordsee (Grafik: Dena)

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Das Erneuerbare-Energien-Gesetz garantiert für jede Kilowattstunde Strom aus Offshore-Windrädern, die bis 2007 in Betrieb gehen, je nach Entfernung zur Küste bis zu 9,1 Cent. Die Förderung läuft für maximal 20 Jahre. Ab 2030 sollen so Windanlagen in Nord- und Ostsee 15 Prozent des deutschen Strombedarfs decken können. Zuvor muss allerdings das öffentliche Stromnetz verstärkt werden, um den Strom vom äußersten Norden zu den Verbrauchszentren in ganz Deutschland bringen zu können. Allein bis 2015 sind bei projektierten 10.000 Megawatt Offshore-Wind laut Netzstudie der Deutschen Energieagentur dena rund 850 Kilometer neue Höchstspannungsleitungen nötig, die die Netzbetreiber für insgesamt 1,1 Milliarden Euro verlegen sollen. Hierzu kämen nun auch die Kosten für die Verkabelung vom Windpark hin zum Stromnetz.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz und der Wegfall der Netzanschlusskosten reichen nach Einschätzung der Windenergie-Agentur Bremerhaven/Bremen (WAB) aber immer noch nicht aus, um Offshore-Parks in tieferen Gewässern wirtschaftlich zu machen. Die Agentur fordert daher, die Förderung „auf ein international übliches und kostendeckendes Niveau“ zu heben. Dies könnte durch ein Marktanreizprogramm geschehen oder bei der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, die Ende 2007 ansteht. Auch der Bundesrat bat in seiner Verabschiedung des Infrastrukturgesetzes, die verschiedenen Förderungen der Offshore-Windenergie bei der Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes abschließend zu klären. Das jetzt verabschiedete Infrastrukturgesetz sei dann gegebenenfalls anzupassen.

imi