Verschmutzungsrechte verteilt
Über tausend Millionen Tonnen des klimaschädlichen Kohlendioxids wurden 1990 in Deutschland von Industrie und Gewerbe, Verkehr und Haushalten erzeugt und in die Atmosphäre gepustet – ein Drittel der Emissionen in ganz Europa. Eines der wesentlichen Instrumente, diesen Schadstoffausstoß zu senken, ist der Handel mit „Verschmutzungsrechten“. Er wurde Anfang letzten Jahres europaweit für Energiewirtschaft und Industrie eingeführt. In Deutschland erfasst er rund 1850 Anlagen, d.h. gut die Hälfte der Emissionen. Die übrigen Klimaschädiger – Gewerbe, Verkehr und private Haushalte – sind nicht einbezogen.
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Über tausend Millionen Tonnen Kohlendioxid wurden 1990 in Deutschland in die Atmosphäre entlassen (Foto: BilderBox)
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Zur Vorbereitung der von 2008 bis 2012 laufenden zweiten europäischen Handelsrunde hat das Bundeskabinett Ende Juni neue Zuteilungsregeln beschlossen. Nach diesem zweiten „Nationalen Allokationsplan“ müssen Energieversorger und Industrie ihren Kohlendioxidausstoß jährlich um 15 Millionen Tonnen gegenüber dem Mittel der Jahre 2000 bis 2002 reduzieren. In der noch bis Ende nächsten Jahres laufenden ersten Handelsrunde sind es nur zwei Millionen Tonnen pro Jahr. Die deutlich anspruchsvolleren Regeln sollen sicherstellen, so Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, „dass Deutschland sein Kyoto-Klimaschutzziel für 2012 erreicht, die Treibhausgas-Emissionen um 21 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken“. Bis heute sind davon bereits 19 Prozent geschafft, hauptsächlich allerdings aufgrund des wirtschaftlichen Umbaus im Osten Deutschlands nach der Wiedervereinigung.
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Zweiter Nationaler Allokationsplan (Daten: nach Bundesumwelt-ministerium ) |
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Der Emissionshandel ist ein neues, marktwirtschaftlich arbeitendes Instrument der Umweltpolitik: Der Allokationsplan legt die angestrebten Emissionsobergrenzen für die einzelnen Wirtschaftssektoren fest und verteilt dann die Höchstmenge kostenlos in Form von Verschmutzungsrechten, so genannten Emissionszertifikaten, an die zum Handel verpflichteten Unternehmen. Kohlendioxid dürfen diese nur freisetzen, wenn sie dafür genügend Zertifikate besitzen. Wird mehr Treibhausgas erzeugt, sind Zertifikate zuzukaufen; wird – zum Beispiel nach Modernisierung – weniger ausgestoßen, können Zertifikate verkauft werden. Die Unternehmen entscheiden unter Kostengesichtspunkten, ob und wie sie reduzieren. Theoretisch sorgt dieser Mechanismus also dafür, dass Klimaschutzmaßnahmen dort ergriffen werden, wo sie am kostengünstigsten sind.
Funktionieren kann dies jedoch nur, wenn die Zertifikate knapp genug zugeteilt werden. Um ihre Industrie nicht zu stark zu belasten, sind die meisten Länder jedoch eher großzügig. So stürzte der Zertifikatpreis im Mai dramatisch ab, als Frankreich, Tschechien und die Niederlande offenlegten, dass 2005 der Ausstoß unter der Zahl der zugeteilten Zertifikate gelegen habe.
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Die deutschen Treibhausgas-Emissionen der Jahre 1990, 2000 und 2004 sowie die Zielwerte für 2010 und 2050 (Daten: Fraunhofer ISI)
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Für die Jahre 2008 bis 2012 legt der Nationale Allokationsplan die Emissionsobergrenze für alle Wirtschaftssektoren zusammen auf insgesamt 852 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr fest. Auf die am Handel teilnehmenden Anlagen entfallen davon Verschmutzungsrechte für 482 Millionen Tonnen pro Jahr – in der ersten Periode waren es noch jährlich 499 Millionen Tonnen. Speziell die Energieversorger erhalten 15 Prozent weniger Zertifikate als bisher. So sollen Zusatzgewinne gemindert werden: Den Marktwert der – kostenlos zugeteilten – Zertifikate geben die Stromversorger nämlich in den Strompreis einkalkuliert an ihre Kunden weiter und erzielen so hohe Zusatzgewinne – rund vier Milliarden Euro jährlich, schätzt der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft VIK.
Im Bundesumweltministerium ist man zuversichtlich, mit der neuen Zuteilung nicht nur hinsichtlich der Klimaschutzverpflichtung bis 2012 auf gutem Wege zu sein, sondern auch Anreize für die langfristige Modernisierung des deutschen Kraftwerkparks zu geben. Letzteres bezweifeln Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe. Um Investitionen wirksam in saubere Technologien zu lenken, fordern Karoline Rogge und Joachim Schleich, „den EU-Emissionshandel ehrgeiziger zu gestalten“. Angesichts der viel anspruchsvolleren langfristigen Klimaziele Europas – Emissionsreduktionen um 80 Prozent bis 2050 – hätte es dazu „bereits bei den bestehenden Reduktionszielen erheblich größerer Anstrengungen bedurft“.
imi