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Ausgabe 04/2004
Interview

30 Jahre Internationale Energieagentur

Ausgelöst von der Ölkrise im Jahr zuvor wurde im November 1974 die Internationale Energieagentur IEA von 16 Gründungsstaaten, darunter auch Deutschland, in Paris eingerichtet. Hauptziel der zwischenstaatlichen Organisation ist die Sicherung der Energieversorgung in Krisenzeiten. Anlässlich des 30jährigen Jubiläums sprach „Energie-Perspektiven“ mit IEA-Direktor Claude Mandil.

Energie-Perspektiven: Was ist die Aufgabe der IEA?

Claude Mandil: Die Internationale Energie Agentur gehört zur OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) und hat heute 26 Mitgliedstaaten, allesamt Industrienationen. Die IEA wurde 1974 als Reaktion auf die damalige Ölkrise gegründet, mit dem Ziel, künftige Ölkrisen gemeinsam anzugehen und die Abhängigkeit von Öl zu verringern. Dafür verpflichteten sich die Mitglieder, Ölreserven anzulegen und ihren Energiebedarf einzudämmen.

IEA-Direktor Claude Mandil (Foto: IEA)

Die Energiemärkte haben sich jedoch in den vergangen 30 Jahren stark verändert und es gibt nun neue Herausforderungen. Der Klimawandel zum Beispiel hat die IEA-Staaten dazu gebracht, den Umweltschutz bei Energieentscheidungen stärker zu berücksichtigen. Die Entwicklung von erneuerbaren Energien ist auf dem Vormarsch. Die IEA hat sich deshalb drei Haupt-Ziele gesetzt: Sicherheit der Energieversorgung, Wirtschaftswachstum und Umweltschutz. Die Agentur dient dabei als internationales Forum, das Daten und Informationen sammelt, aufarbeitet und analysiert. Experten veröffentlichen regelmäßig Studien und Analysen über die internationalen Öl- und Energiemärkte, über die Energieprogramme der IEA-Mitgliedsländer, über Zukunftstechnologien und andere Themen.

Energie-Perspektiven: Was sind im Rückblick die wesentlichen Errungenschaften der IEA in den vergangenen 30 Jahren?

Claude Mandil: Hauptaufgabe der IEA in den vergangenen Jahrzehnten war es, den Mitgliedsländern zu helfen, auf mögliche Ölkrisen zu reagieren. Deshalb wurden Notfallreserven eingerichtet, und es finden regelmäßig Übungen statt, um auf unerwartete Situationen vorbereitet zu sein. Außerdem unterstützt die IEA ihre Mitgliedsländer dabei, neue Herausforderungen wie den Klimawandel, veränderte Energiemärkte oder die Anwendung neuer Technologien zu bewältigen. Die IEA hat sich als zuverlässige, wenn nicht die zuverlässigste Quelle von Informationen über Energiepolitik und Daten etabliert. Sie hat ihre Beziehungen zu Nicht-Mitgliedstaaten kontinuierlich ausgebaut und zuletzt auch einen Dialog mit den Erdöl produzierenden Ländern aufgenommen. So gehören heute die OPEC-Staaten, Russland, Indien und China zu unseren ständigen Gesprächspartnern.

Energie-Perspektiven: Wo erwarten Sie in Zukunft Probleme?

Claude Mandil: Nie zuvor klafften die unterschiedlichen Ansprüche an Energieversorgung und -politik weiter auseinander als heute. Und wir stehen erst am Anfang. Öl, Gas und Kohle werden auf absehbare Zeit die Hauptstützen unserer Energieversorgung bleiben. Hohe Preise signalisieren, dass die Märkte wachsende Knappheit erwarten. Die rasante Entwicklung einiger Entwicklungsländer wie China und Indien und ihr steigender Energiebedarf führen uns den gegenwärtigen Trend deutlich vor Augen. Auf der anderen Seite sagt uns die Klimapolitik, dass wir die mit dem Energieverbrauch verbundenen Kohlendioxid-Emissionen reduzieren müssen, wenn wir drastische Änderungen des Klimas verhindern wollen.

Energie-Perspektiven: Welche Bedeutung hat die Energieforschung?

Claude Mandil: Geeignete politische Rahmenbedingungen und ein günstiges Investitionsklima sind wichtige Elemente, den erwähnten Problemen zu begegnen. Damit allein jedoch können die vor uns stehenden Herausforderungen nicht bewältigt werden. Neue Technologien sind der Schlüssel. Forschung, Entwicklung, Demonstration und geeignete Markteinführungsmaßnahmen sind der Weg zu neuen Lösungen. Energieeinsparung und -effizienz stehen in vorderster Linie, gefolgt von einem verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien. Für viele Länder ist auch ein Ausbau der Kernenergie eine Option. Kohlendioxid-Abtrennung und Speicherung hat ein enormes Potential, das es zu erschließen gilt, ebenso wie die Möglichkeiten von Wasserstoff und Brennstoffzellen. Vor diesem Hintergrund wäre auch zu überdenken, wie die seit langem stagnierenden öffentlichen Forschungsmittel wieder aufgestockt werden können.