Was bringt der Wind?
Der Prototyp für die mit 5 Megawatt Leistung größte Windkraftanlage der Welt, Repower 5M, wird zur Zeit in Brunsbüttel aufgebaut. Das Windrad soll vor allem in Windparks auf See eingesetzt werden. Über die Aussichten der Windenergie sprach „Energie-Perspektiven“ mit Prof. Dr. Fritz Vahrenholt, dem Vorstandsvorsitzenden des Hamburger Windenergie-Unternehmens REpower Systems AG.
Energie-Perspektiven: Seit dem legendären Misserfolg des großen 3 Megawatt-Forschungswindrades Growian in den 80er Jahren hat die Technik enorme Fortschritte gemacht. Mit Repower 5M wird inzwischen sogar eine 5 Megawatt-Anlage gebaut. Welche Innovationen stehen hinter dieser Erfolgsgeschichte?
Vahrenholt: Growian entstand als Reaktion auf die zweite Ölkrise. Um die Ölabhängigkeit zu mildern, hat man alle erkennbaren Alternativen gefördert und dabei bei der Windenergie einen viel zu großen Schritt gewagt. Nötig ist aber, wie überall in der Technik, eine stetige Entwicklung. Man hat also mit kleinen 150 Kilowatt-Anlagen neu begonnen und mit wachsender Erfahrung immer leistungsfähigere Windräder gebaut. 1,5 Megawatt war noch vor zwei Jahren Stand der Technik, jetzt steigert Repower auf 5 Megawatt.
|
Die 62 Meter langen Rotoren der Repower 5M überstreichen eine Fläche so groß wie zwei Fußballfelder. (Grafik: Repower Systems AG) |
|
|
Zahlreiche Disziplinen wie Materialkunde, Getriebetechnik und Elektronik haben die Entwicklung befördert: Kohlefaser verstärktes Polyester für die Rotorflügel war zur Zeit Growians nicht verfügbar. Die speziellen Getriebe für die Windindustrie mussten erst entwickelt werden. Neu ist auch die ausgefeilte elektronische Steuerung, die die Maschinen auf die riesigen Windkräfte einstellt. Heutige Windkraftanlagen sind keine Mühlen, sondern komplizierte elektronische Bauwerke.
Energie-Perspektiven: Ist die moderne Technologie komplex genug, um leistungsstarken Firmen beim Export längerfristige Marktführerschaft zu sichern?
Vahrenholt: Die Technik ist durch Patente geschützt und mittlerweile so aufwändig, dass sie sich nicht so schnell kopieren lässt. Im Gegenteil ist eine rasante Konzentration in der Windbranche zu beobachten. Von den ehemals 12 beim Start von Repower tätigen Windfirmen sind heute weltweit nur die Hälfte übrig geblieben. Ein spezieller Fall ist China: Hier hat man trotz Patentschutz versucht, unsere Anlagen nachzubauen.
Energie-Perspektiven: Trotz der großen Erfolge regt sich auch Widerspruch gegen die wachsende Windenergienutzung. Haben Sie eine Erklärung?
Vahrenholt: Mit ihrem Anteil von sechs Prozent an der installierten Leistung ist die Windenergie heute keine Nischentechnologie mehr. Wir wollen nicht Idylle sein, sondern Industrie. Daher holt uns jetzt ein, was die klassische Energietechnik und andere großtechnische Einrichtungen wie Flughäfen oder Autobahnen schon lange erleben: Mit wachsender Sichtbarkeit steigen die Anwohner-Proteste. Hinzu kommt für uns der Widerstand der Energieversorger, die ihre Investitionen beeinträchtigt sehen, weil sie bei starkem Wind ihre eigenen Kraftwerke herunterfahren müssen. Die Alternative wäre jedoch eine noch größere Abhängigkeit von importiertem Öl und Gas.
|
Prof. Dr. Fritz Vahrenholt |
|
|
Energie-Perspektiven: Wenn es richtig ist, dass vor allem in Offshore-Anlagen die Zukunft der Windenergie liegt: Welche Perspektiven sehen Sie hier?
Vahrenholt: Während in Deutschland der Wind über Land Geschwindigkeiten bis etwa 5 Meter pro Sekunde erreicht, sind es über der Nordsee 10 Meter pro Sekunde. Das ergibt eine wesentlich höhere Leistungsausbeute und sollte in der Zukunft Strompreise von 4 bis 5 Eurocent pro Kilowattstunde möglich machen. Außerdem gibt es auf See kein Flächenproblem, hier sind große Windparks möglich. Vorstellbar sind Areale mit 500 Megawatt Spitzenleistung, die netztechnisch wie ein einziges Großkraftwerk behandelt werden können.
Mit Rücksicht auf den Tourismus müssen nach deutschen Vorschriften allerdings die Windräder weit vor der Küste und daher in sehr tiefem Wasser errichtet werden. Dies verursacht hohe Kosten für das Fundament und das Kabel zur Netzanbindung – 45 Prozent der gesamten Baukosten. Deshalb lohnen sich nur sehr große Anlagen. Und trotz des stärkeren Windes auf See wird der Strom mit rund 7,5 Eurocent pro Kilowattstunde zunächst nicht billiger sein als bei Anlagen an Land. Mit zunehmender Erfahrung und wachsender Größe der Windparks wird sich dies jedoch ändern: Nach acht bis zehn Jahren sollte der auf dem Meer erzeugte Windstrom in Deutschland preiswerter sein als Gas- oder Kohlestrom. In Irland oder Norwegen, wo der Wind auch an Land kräftig bläst, ist dies heute schon möglich.
Bis zum Jahr 2020, so ist unser Ziel, soll ein Fünftel der deutschen Stromversorgung vom Wind getragen werden, etwa 12 Prozent on- und 8 Prozent offshore. Mehr geht wohl nicht, weil sonst die Regelprobleme im Netz zu groß werden.
Energie-Perspektiven: Welche zusätzlichen technischen Schwierigkeiten sind mit offshore betriebenen Anlagen verbunden?
Vahrenholt: Auf See ist die Wartung deutlich komplizierter, weil die Anlagen nicht so leicht zugänglich sind. Die RePower 5M wird deshalb eine Hubschrauberplattform besitzen und Übernachtungsräume (die übrigens auch für Schiffbrüchige offen gehalten werden). Da lange Standzeiten kostspielig sind, müssen einzelne Komponenten redundant ausgelegt und die Räder zur ständigen Betriebsüberwachung mit Sensoren ausgestattet werden.
|
(Grafik: Repower Systems AG) |
|
|
Energie-Perspektiven: Hat der 2005 beginnende Emissionshandel für die Windenergiebranche Bedeutung?
Vahrenholt: Die EU-Richtlinien nehmen die Windenergie leider vom Emissionshandel aus. Stattdessen garantiert in Deutschland das Energie-Einspeisegesetz pro erzeugter Kilowattstunde Windstrom – bei Produktionskosten von heute 7,5 Eurocent – zur Zeit eine Vergütung von 8,7 Eurocent, die bis 2012 auf 5,5 Eurocent abnehmen wird. Im Emissionshandel sind im Jahr 2012 Preise von 5 bis 10 Euro pro vermiedener Tonne Kohlendioxid zu erwarten. Dies würde – könnte die Windenergie am Emissionshandel teilnehmen – den Strompreis um 0,5 bis 1 Eurocent pro Kilowattstunde senken. Kostenmäßig wollen wir bis 2012 mit Kohle und Kernenergie gleichziehen.
Energie-Perspektiven: Wagen Sie eine Prognose für den deutschen Energiemix in 30 Jahren?
Vahrenholt: Ich gehe davon aus, dass im nächsten Jahrzehnt die Erdölförderung ihr Maximum überschreiten wird. Preisexplosionen bei Öl und dann auch Gas werden die Folge sein. An heimischen Energieträgern haben wir – neben Wind und Biomasse – nur die Braunkohle. Ich bin daher für die Förderung einer Kohlendioxid-freien Braunkohletechnik. Der deutsche Strommix im Jahr 2030 könnte also zu 25 Prozent aus erneuerbaren Energien, 15 bis 20 Prozent Gas und viel Kohle bestehen. Auch eine längere Nutzung der bestehenden Kernkraftwerke könnte ich mir vorstellen. Damit gewinnen wir Zeit, zukunftsfähige Energietechniken wettbewerbsfähig zu machen.
Weltweit gesehen ist die Frage wesentlich brisanter: Wie sollen sich in Zukunft neun Milliarden Menschen bei wachsender Nachfrage mit Energie versorgen? Um hier Lösungen zu finden, sollte man keine klimaschonende Technik ausschließen, also neben den Erneuerbaren auch emissionsfreie Kohle, Kernspaltung und Fusion weiter entwickeln. Das einzige, was wir diesem riesigen Problem entgegenstellen können, ist unsere Wissenschaft und Ingenieurskunst.