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Ausgabe 02/2004
Fusionsforschung

Doppelte Ausbeute für ITER

Dramatische Verbesserungen für den geplanten internationalen Testreaktor ITER könnte ein neuer Plasmazustand bringen, der im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching entwickelt wurde. Er könnte die zu erwartende Fusionsausbeute mindestens verdoppeln: Statt der angestrebten 400 könnte die Anlage bei sonst gleichen Bedingungen mehr als 800 Megawatt Fusionsleistung liefern.

Blick in das 100 Millionen Grad heiße Plasma der Fusionsanlage ASDEX Upgrade. Bild vergrößern
ITER, über dessen Standort noch in diesem Jahr entschieden werden soll, ist der nächste große Schritt auf dem Weg zu einem Fusionskraftwerk. Ähnlich wie die Sonne soll es aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnen. Um das Fusionsfeuer zu zünden, muss es gelingen, den Brennstoff – ein Wasserstoffplasma – in Magnetfeldern wärmeisolierend einzuschließen und auf Temperaturen über 100 Millionen Grad aufzuheizen.

Die vor sechs Jahren an der Garchinger Versuchsanlage ASDEX Upgrade entdeckte Betriebsweise zeichnet sich aus durch sehr gute Wärmeisolation des Plasmas bei hohem Energieinhalt. Zusätzlich sorgten kleine Instabilitäten am Plasmarand dafür, dass die Wärmeenergie aus dem Plasma in kleinen Portionen gleichmäßig auf den Wänden abgeladen wird. So kam es zu der erwünscht sanften, die Gefäßwände schonenden Leistungsauskopplung. Mit diesen guten Eigenschaften war der neue Plasmazustand, das „Verbesserte H-Regime“, dem normalen H-Regime deutlich überlegen, das – ebenfalls im IPP entdeckt – als Grundbetriebsweise für ITER vorgesehen ist.

Zunächst war jedoch völlig offen, ob sich die guten Ergebnisse von ASDEX Upgrade auf den viel größeren ITER übertragen lassen. In den letzten Jahren gelang es in Garching, den neuen Plasmazustand über einen immer breiteren Arbeitsbereich einzustellen. Dazu muss es jeweils gelingen, dem Plasmastrom, der in Anlagen vom Typ Tokamak einen Teil des magnetischen Käfigs erzeugt, von Anfang an den richtigen Weg im Plasma zu bahnen. Für diesen „Stromtrieb“ kann man an ASDEX Upgrade seit einiger Zeit die Neutralteilchen-Heizung nutzen: Durch Einschießen schneller Wasserstoffatome – eigentlich eine Heizmethode – lässt sich ebenso ein elektrischer Strom im Plasma erzeugen und von außen steuern. Richtig begonnen, bleibt das beim Starten der Entladung geformte Stromprofil durch komplexe Rückkopplungen zwischen Plasma und Magnetfeld über die ganze Entladung stabil. Bis zu 50 Prozent des Plasmastroms werden dann von der Heizung (und einem druckgetriebenen internen Strom) getragen, der Rest wird auf konventionelle Weise per Transformator im Plasma erzeugt.

Nachdem auch die Fusionsanlage DIII-D in San Diego/USA und schließlich die europäische Großanlage JET in Culham den günstigen Plasmazustand erreichen konnten, stand er Ende April 2004 erneut auf dem Garchinger Experimentierplan. Resultat: Der von der Heizung im Plasma deponierte Energieinhalt erreichte den neuen Anlagenrekord von 1,5 Megajoule. „Nachdem sich der Plasmazustand auf verschiedenen Wegen in drei unterschiedlich großen Anlagen erreichen ließ, sind wir zuversichtlich, dass dies auch in dem nochmals größeren ITER gelingen wird“, meint der IPP-Wissenschaftler Professor Dr. Hartmut Zohm.

Der neue Plasmazustand findet inzwischen weltweit Interesse; Vergleichsexperimente sind in Europa, den USA und Japan im Gange. Denn: Je höher man den Energieinhalt des Plasmas und damit die Fusionsausbeute treiben kann, desto kleiner und also kostengünstiger wird ein späteres Kraftwerk.

imi