Premiere – Strom aus Erdwärme
Seit November versorgt das bundesweit erste Erdwärme-Kraftwerk die Einwohner der mecklenburgischen Kleinstadt Neustadt-Glewe mit Strom. Bisher wurde hier Erdwärme nur in einem Heizwerk genutzt, das Fernwärme liefert. Mit dem Einbau einer Turbine wurde die Anlage nun zum 250 Kilowatt starken Kraftwerk ausgebaut, das den Strombedarf von über 500 Haushalten decken kann.
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Erdwärme-Nutzung in Neustadt-Glewe (Grafik: LanGeo/Bewag) |
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Die Energiequelle ist heiße Sole, die aus einer Tiefe von zwei Kilometern herauf gepumpt wird. Das stark salzhaltige Thermalwasser (220 Gramm Salz je Liter; Totes Meer: 310 Gramm pro Liter) besitzt eine Temperatur von 98 Grad Celsius. Lange hielt man dies für die Stromerzeugung zu niedrig. Deshalb wurde die Erdwärme bislang ausschließlich als Fernwärmelieferant verwendet. Erst eine neue Turbine, die nicht – wie sonst üblich – mit Wasserdampf angetrieben wird, sondern von einem synthetischen organischen Stoff, der bereits bei 30 Grad siedet (Organic Rankine Cycle-Prozess), macht die Stromerzeugung – bei der weltweit niedrigsten Soletemperatur – möglich.
Beim Betrieb der geothermischen Gesamtanlage hat die Wärmeversorgung Vorrang. Für die Stromerzeugung stehen nur die zur Fernwärmeversorgung nicht benötigten Wärmemengen zur Verfügung. Das neue Kraftwerk soll daher nur im Sommer mit voller Leistung Strom produzieren. Bei niedrigen Außentemperaturen wird die Stromgewinnung ausgeschaltet, weil dann die gesamte Erdwärme zur Wärmeversorgung benötigt wird.
Die lange gehegten Pläne zur Stromerzeugung konnten erst nach der Erweiterung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2000 umgesetzt werden. Nur so lassen sich die hohen Kosten des komplizierten Anlagenbaus wirtschaftlich tragen. Die Betreiberin Erdwärme-Kraft GmbH aus Berlin investierte 800.000 Euro, hinzu kamen Mittel des Bundesumweltministeriums. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz garantiert zur Zeit 8,95 Cent pro erzeugter Kilowattstunde Strom aus Erdwärme, nach der geplanten Gesetzesnovelle deutlich mehr.
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Gestehungskosten für Strom aus Erdwärme, anderen Erneuerbaren, Erdgas oder Steinkohle |
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Die Stromgestehungskosten der Geothermie in Deutschland belaufen sich auf um die 20 Cent pro Kilowattstunde, so das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) in einer umfassenden Studie. Damit wird Geothermie ökonomisch in näherer Zukunft kaum mit anderen erneuerbaren oder gar mit fossilen Energiequellen konkurrieren können. Nur Solarstrom ist noch teurer. „In Deutschland kann elektrische Grundlast aus Erdwärme erzeugt werden“, erklärt Prof. Rolf Emmermann, Vorstandsvorsitzender des GeoForschungsZentrums Potsdam (GFZ), „wenn es gelingt, die Kosten für die Erschließung und Nutzung geothermischer Reservoire nachhaltig zu senken.“ Das Pilotprojekt in Neustadt-Glewe wird daher vom GFZ wissenschaftlich begleitet: Um die Anlage zu optimieren will man vermeidbare Energieverluste sowie die Hauptkostenquellen im Kraftwerksprozess herausfinden. Die Aufgaben auf dem Weg zu wirtschaftlicher Stromerzeugung aus Erdwärme sind vielfältig: Die geothermischen Reservoire müssen sicherer aufgespürt werden, die Bohrkosten müssen gesenkt, die Ergiebigkeit der Reservoire gesteigert und die Kreisläufe in Erde und Kraftwerk verbessert werden.
imi