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Ausgabe 04/2014
Fossile Energien

Erstes kommerzielles CCS-Projekt    

Das weltweit erste Kohlekraftwerk, das in kommerziellem Maßstab Kohlendioxid aus seinem Rauchgas abtrennt, nahm im Oktober in der kanadischen Provinz Saskatchewan den Betrieb auf. Im Kraftwerk „Boundary Dam“ des staatlichen Energieversorgers SaskPower sollen jährlich eine Million Tonnen des Treibhausgases aufgefangen werden. Tief im Untergrund gespeichert, soll das Gas dann zur globalen Erwärmung nicht mehr beitragen können.


Kohlekraftwerk „Boundary Dam“ (Foto: SaskPower)

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Für dieses „Carbon Capture and Storage“ (CCS) genannte Verfahren wurde der in die Jahre gekommene Block 3 des Kraftwerks für 1,4 Milliarden Dollar umgebaut. 90 Prozent des Kohlendioxids, das die 110 Megawatt-Anlage erzeugt, können nun abgetrennt werden. Es wird an die Ölgesellschaft Cenovus Energy verkauft, die damit die Ausbeute im 66 Kilometer entfernten Weyburn-Ölfeld vergrößern will. Für dieses „Enhanced Oil Recovery“ genannte Verfahren (siehe Energie-Perspektiven 3/2002) wird das komprimierte und verflüssigte Gas durch eine Pipeline zum Ölfeld geleitet, wo es unter Tage gepresst wird. Ob diese zusätzlichen Einnahmen die Kosten decken werden, ist noch offen. Denn die CCS-Methode ist energieaufwändig: Sie senkt den Wirkungsgrad des Kraftwerks und erhöht damit die Stromgestehungskosten.

Im Weyburn-Ölfeld soll jedoch nicht das gesamte Kohlendioxid landen. Ein kleiner Teil – insgesamt 350.000 Tonnen – wird zu Forschungszwecken im benachbarten Aquistore-Projekt in poröse salzwasserhaltige Sandsteinschichten gut drei Kilometer tief unter die Erde gepumpt. Mit dem Testfeld will man die Überwachungstechniken für Kohlendioxidspeicher weiterentwickeln und zeigen, dass eine Endlagerung dauerhaft und sicher möglich ist. Die unterirdische Formation zeichnet sich durch natürliche Gas-Barrieren aus und böte mehr Speicherraum als jedes Ölreservoir. Ähnliche geologische Verhältnisse finden sich nicht nur in Kanada, sondern auf fast allen Kontinenten.


Der unterirdische Forschungsspeicher Aquistore (Foto: SaskPower)
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Für die Internationale Energieagentur IEA ist Boundary Dam daher ein Meilenstein auf dem Weg in eine kohlenstoffemissionsarme Zukunft. „CCS ist die einzige bekannte Technik“, sagt IEA-Geschäftsführerin Maria van der Hoeven, „die es erlaubt, weiterhin fossile Brennstoffe zu nutzen und zugleich den Energiesektor zu dekarbonisieren“. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine umfassende Studie zu Technologiestrategien gegen den Klimawandel, die ein internationales Forscherteam des „Stanford Energy Modeling Forum“ erarbeitet hat. Bedenken gegen CCS seien zwar höchst relevant, meint Leitautor Elmar Kriegler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Dennoch sei es dringend nötig, „Chancen und Risiken noch genauer zu untersuchen“. Zurzeit werden weitere CCS-Projekte in den USA, Kanada, Saudi Arabien und Australien geplant oder gebaut.

Erprobt wird die geologische Speicherung von Kohlendioxid auch in Deutschland: Im brandenburgischen Ketzin hat das Deutsche Geoforschungszentrum GFZ in den letzten Jahren etwa 67.000 Tonnen Kohlendioxid zu Forschungszwecken in den Untergrund gepumpt (siehe Energie-Perspektiven 1/2007). 240 Tonnen Gas und Gesteinsflüssigkeit wurden kürzlich wieder zurück an das Tageslicht geholt. Die Analyse der Stoffe soll unter anderem Aufschluss geben über die chemischen Wechselwirkungen zwischen Kohlendioxid, Flüssigkeit und Gestein.

Auch ein CCS-Demonstrationskraftwerk war geplant, das in Jänschwalde für den Energieversorger Vattenfall Strom erzeugen sollte. Zur Vorbereitung betrieb Vattenfall seit 2008 eine Pilotanlage zur Kohlendioxid-Abscheidung am Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe in der Niederlausitz (siehe Energie-Perspektiven 1/2006). Der Kraftwerksplan wurde 2011 jedoch „aufgrund fehlender rechtlicher Rahmenbedingungen“ aufgegeben, die Pilotanlage im Juli 2014 geschlossen. Das Know-how aus Schwarze Pumpe wird künftig im kanadischen Boundary Dam verwertet. Eine entsprechende Forschungskooperation vereinbarten Vattenfall und SaskPower im April.


Poröser Sandstein – geeignet als Speichergestein (Foto: BGR)

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Den Rechtsrahmen für die CCS-Technologie regelt in Deutschland seit 2012 das „Kohlendioxid-Speicherungsgesetz“, das eine drei Jahre ältere europäische Richtlinie umsetzt. Die Formulierung des Gesetzes war von heftigen Diskussionen begleitet (siehe Energie-Perspektiven 2/2009). Anders als die europäische Richtlinie beschränkt sich die deutsche Rechtsvorschrift denn auch auf die reine Demonstration der Gasspeicherung: Jährlich dürfen nur 1,3 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Speicher und bundesweit maximal vier Millionen Tonnen eingelagert werden. Damit sind in Deutschland zwei oder drei CCS-Demonstrationsprojekte möglich – wenig im Vergleich zu der theoretisch vorhandenen Speicherkapazität von acht bis 14 Milliarden Tonnen, die die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe abgeschätzt hat. Auch europaweit gibt es laut Bundeswirtschafts-ministerium zurzeit keine großen Demonstrationsprojekte: „Von einer kommerziellen Anwendung der Technologie ist man noch weit entfernt“.

imi