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Ausgabe 01/2012 |
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Ausgabe 01/2012
Fossile Energien
Umstritten: Ölsand-Förderung in Kanada
Unter der westkanadischen Provinz Alberta ruhen etwa 1,8 Billionen Barrel Öl – rund das Siebenfache der gesamten Reserven von Saudi-Arabien. Anders als dort liegt das Öl in der Region Athabasca aber als zähes, schweres Gemisch mit Sand und Ton vor – das größte Ölsand-Vorkommen der Welt. Die Erschließung lohnte bis vor wenigen Jahren kaum. Seit aber der Ölpreis steigt, graben sich riesige Bagger durch den Boden und bauen den pappigen Sand ab.
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Ölsand-Abbau in Kanada (Foto: dpa) | | |
Umweltschützer jedoch warnen seit Jahren vor den Folgen. Aktuell haben Neil Swart und Andrew Weaver von der kanadischen University of Victoria ausgerechnet, dass die Temperatur der Erdatmosphäre um 0,36 Grad Celsius steigen würde, sollte dieses Öl vollständig verbrannt werden. Das Erwärmungspotenzial ist damit etwa halb so groß wie jene etwa 0,76 Grad Celsius, um die sich die Atmosphäre in den vergangenen hundert Jahren durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe bereits erwärmt hat. „Wenn die nordamerikanischen und internationalen Entscheidungsträger die globale Erwärmung auf unter zwei Grad Celsius begrenzen wollen“, so Swart und Weaver im Journal „Nature Climate Change“, „müssen sie das globale Energiesystem rasch auf Quellen umstellen, die ohne Treibhausgas auskommen.“
Zu den Klimaauswirkungen kommen Eingriffe in die Natur beim Abbau, Transport und Verarbeiten des Öls: Der Bau neuer Straßen, das Abholzen von Wäldern, das Abtragen großer Mengen Erdreich, riesige Mengen Abwasser und tausende Kilometer neue Pipelines. Eine davon – Keystone XL – soll kanadisches Öl bis nach Texas leiten. Sie ist Teil eines 13 Milliarden-Dollar-Projekts, um Öl aus Kanada zu den Raffinerien an der Südküste der USA zu schaffen. Zahlreiche Behörden und Regierungsstellen in beiden Ländern sind an dem Plan beteiligt; Unternehmensgruppen, Ölfirmen und Gewerkschaften, deren Mitglieder auf Jobs hoffen, befürworten das Projekt.
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Klimaeffekte bei der Nutzung fossiler Ressourcen (Grafik: IPP, Daten: N. Swart, A. Weaver) |
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Auf der anderen Seite stehen Umweltschützer und Anwohner entlang der geplanten Route. Für die Umweltstiftung World Wide Fund for Nature (WWF) sind die Ölsande „eine der schlimmsten Energieformen überhaupt“. Die Extraktion des Öls setze dreimal mehr Kohlendioxid frei als die herkömmliche Förderung, zerstöre Wälder und verschmutze riesige Mengen Flusswasser. Tatsächlich bleibt nach dem Abzug der Bagger eine weitgehend leblose Mondlandschaft zurück.
Häufig wird der Ölsand im Tagebau gefördert. Laut WWF müssen die Unternehmen etwa vier Tonnen Ölsand bewegen, um an ein Barrel Öl – also etwa 160 Liter – zu kommen. Auch das Abtrennen des Öls vom Sand – in riesigen Fabriken mit hohem Energieverbrauch – ist aufwendig. Der Sand wird in Silos mit heißem Wasser versetzt, Lösungsmittel und feine Luftbläschen lösen die zähe, schwarze Masse dann von den Körnern, die nach unten sinken. Das Bitumen steigt nach oben und wird aufwendig weiterverarbeitet.
Der Bau der Keystone XL-Pipeline wäre ein Bekenntnis von ganz Nordamerika zur Nutzung der kanadischen Ölsand-Vorräte, warnen Swart und Weaver. Wer sich eine Chance erhalten wolle, den globalen Temperaturanstieg auf weniger als zwei Grad Celsius zu beschränken, müsse die künftigen Kohlendioxid-Emissionen auf weniger als 590 Milliarden Tonnen begrenzen. Gleichmäßig auf alle Menschen verteilt, ergäbe sich eine Obergrenze von 85 Tonnen pro Kopf. Selbst wenn nur jene 170 Milliarden Barrel kanadischen Öls verbrannt würden, die sich noch vergleichsweise einfach aus dem Sand lösen lassen, kämen pro Kopf der US-Amerikaner und Kanadier schon 64 Tonnen zusammen.
Allerdings: Am gesamten Treibhaus-Potenzial der weltweit vorhandenen fossilen Brennstoffe haben die Ölsande von Alberta nur einen Anteil von drei Prozent. Auf die Kohle entfallen 79 Prozent und auf schwer zu erschließende Gasvorkommen 15 Prozent.
Thilo Resenhoeft, dpa
Literatur:
Neil C. Swart, Andrew J. Weaver: The Alberta oil sands and climate. In: Nature Climate Change, Band
2, Seite 134 - 136, 2012.
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