Während auf dem Bauplatz in Cadarache in Südfrankreich das Fundament ausgehoben wird, das den internationalen Fusionstestreaktor ITER tragen soll, laufen weltweit die physikalischen Feinarbeiten. Als Vorstufe für ein Demonstrationskraftwerk soll ITER aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie gewinnen – ähnlich wie die Sonne. Der Brennstoff, ein dünnes Wasserstoffplasma, ist dazu berührungsfrei in einem Magnetfeldkäfig einzuschließen und dann auf Zündtemperaturen über 100 Millionen Grad aufzuheizen.
Plasmagefäß der Fusionsanlage ASDEX Upgrade (Foto: IPP, Volker Rohde)
Unter den offenen Fragen zurzeit heftig diskutiert sind energiereiche Eruptionen am Plasmarand. Bei diesen Edge Localized Modes, kurz ELMs, verliert das Randplasma kurzzeitig seinen Einschluss und wirft periodisch Plasmateilchen und -energien gebündelt und schlagartig nach außen auf die Gefäßwand. Bis zu einem Zehntel des gesamten Energieinhalts wird so ausgeschleudert. Während heutige Anlagen dies leicht verkraften, würden im viel größeren ITER einige Wandpartien überlastet. Dauerbetrieb wäre so undenkbar.
Trotzdem ist die ELM-Instabilität nicht völlig unwillkommen, weil sie auch störende Verunreinigungen aus dem Plasma herauswirft. Statt der üblichen starken Einschläge wünscht man sich deshalb schwächere und dafür häufigere ELMs. Die eigentlich im letzten Jahr fällig gewesene 100 Millionen Euro-Entscheidung darüber, wie dieses Maßschneidern erreicht werden könnte, hatte das ITER-Team vertagt, um den Einbau spezieller Regelspulen an der Garchinger Fusionsanlage ASDEX Upgrade abzuwarten. Denn andere Anlagen – DIII-D in San Diego als erste – waren mit ähnlichen Spulen zu widersprüchlichen Resultaten gekommen.
Tatsächlich brachten die Experimente an ASDEX Upgrade jetzt Klarheit: Kurz nachdem der Strom in den kleinen Kontrollspulen an der Wand des Plasmagefäßes eingeschaltet wird, schwächen sich die ELM-Einschläge auf harmlose Stärke ab. Sie werden jedoch häufig genug, um das Ansammeln von Verunreinigungen im Plasma zu verhindern. Auch der gute Einschluss des Hauptplasmas bleibt erhalten. Damit ist die Frage, wie die im ITER-Plasma erzeugte Energie auf verträgliche Weise ausgekoppelt werden kann, der Antwort ein großes Stück näher gekommen.
Allerdings lässt sich der Plasmarand von ITER in kleineren Anlagen nicht komplett simulieren. Die Theorie-Abteilung des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik ist jedoch auf gutem Weg, die zugrunde liegenden Vorgänge genau zu verstehen und zu berechnen. Bis zur 2012 anstehenden Entscheidung bei ITER hat man Zeit, das Problem für den Testreaktor – und für ein künftiges Kraftwerk – zu lösen.