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Ausgabe 01/2000
Methanhydrat

Geballte Energie im Käfig

Die schneeartige Masse, die Wissenschaftler an Bord des Forschungsschiffes "FS Sonne" hieven, ist brennbar und löst sich binnen Minuten buchstäblich in Luft auf. Der Untersuchungsgegenstand des GEOMAR Forschungszentrums für Marine Geowissenschaften in Kiel ist Methanhydrat: Käfige aus Wassermolekülen bergen im Inneren frei bewegliches Methan.

Brennendes Methanhydrat
QuickTime Movie (2.58 MB)
(Quelle: Marine Geology Department Geological Survey, Japan)
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Struktur und Vorkommen der Methanhydrate

Drei Formen von Hydraten wurden bisher in der Natur gefunden, die sich in der Form des Wasser-Käfigs unterscheiden. Je nach Käfig-Größe können neben Methan auch höhere Kohlenwasserstoffe in Hydraten eingelagert werden. Bei Null Grad Celsius und Atmosphärendruck gefriert Wasser zu Eis. Genauso bildet sich bei bestimmten Druck- und Temperaturbedingungen Methanhydrat aus Methan und Wasser. Die erforderliche Temperatur liegt bei Null Grad Celsius, der nötige Druck wird in Meerestiefen ab etwa 200 Metern oder unter einer 200 Meter dicken Permafrostschicht erreicht. Methanhydrate finden sich demzufolge im Permafrostboden oder an Kontinentalhängen im Meer. Neben den physikalischen Größen spielen für die Bildung der Hydrate eine Vielzahl weiterer Umweltbedingungen, etwa der Salzgehalt des Wassers, eine Rolle. Die festen Methanhydrate verbrennen mit Luftsauerstoff wie freies Methan mit blauer Flamme zu Kohlendioxid und Wasser.

Bildung von Methanhydraten
In den ersten Sedimentschichten bildet sich Methan durch Verstoffwechselung organischen Materials durch Bakterien. Im Zusammenhang mit Methanhydrat-Forschungen wurde im Golf von Mexiko sogar eine neue Art entdeckt: Der Ringelwurm Hesiocaeca methanicola ernährt sich in 700 Metern Tiefe von dem durch Bakterien hergestellten Methan. Die durch biogene Bildung entstandenen Methanhydrat-Vorkommen treten flächig und mit niedriger Konzentration auf.

Hinzu kommt die thermische Bildung von Methanhydraten: Methan oder andere Kohlenwasserstoffe entweichen aus bestehenden Hydrat-Lagerstätten, zum Beispiel durch Temperaturerhöhung, und treten am Meeresboden aus, auf dem sie wieder zu Hydraten kristallisieren. Die thermische Bildung führt zu Lagerstätten mit hohen lokalen Hydrat-Konzentrationen.


Umweltaspekte
Der weltweite Bedarf an Energieträgern wird zu fast neunzig Prozent von Kohlenwasserstoffen abgedeckt, durch Öl, Gas und Kohle. Nach Prognosen werden, in Anbetracht des steigenden weltweiten Verbrauches, die Lagerstätten von Gas und Kohle in hundert- bis zweihundert Jahren, die von Öl bereits in fünfzig Jahren erschöpft sein. Wie zuverlässig solche Szenarien sind, bleibt abzuwarten. Vor diesem Hintergrund erscheint die Suche nach neuen Energiequellen jedoch sinnvoll.

Ganz ohne Risiko wäre die Ausbeute der Methanhydrat-Lagerstätten nach heutiger Kenntnis allerdings nicht. Die Zersetzung großer Mengen Methanhydrat könnte zum Abrutschen von Erdmassen und damit zu immensen Flutwellen führen. Die explosionsartige Reaktion beim Übergang von festem zu gasförmigem Methan rührt von einer annähernd 200fachen Volumenvergrößerung her. Methanhydrate werden daher immer häufiger für submarine Rutschungen verantwortlich gemacht und auch für das Verschwinden von Schiffen im Bermuda-Dreieck könnten Methanhydrat-Freisetzungen die Ursache sein.

Zudem ist das Methan, das aus sich zersetzenden Gashydraten freigesetzt wird, ein klimaschädliches Gas: Pro Molekül erzeugt es einen fast 30mal stärkeren Treibhauseffekt als Kohlendioxid. Einmal in die Atmosphäre gelangt, ist Methan dort ungefähr zehn Jahre stabil und reagiert dann zu Kohlendioxid und Wasser ab (siehe Grafik).

Die Verstärkung des Treibhauseffekts durch Methan und Kohlendioxid Bild vergrößern

Methanhydrate als Energieträger
Die Wissenschaftler von GEOMAR, unter ihnen der geschäftsführende Direktor Prof. Dr. Erwin Suess, äußern sich daher zurückhaltend, wenn die Ausbeutung der Methanhydrat-Vorkommen zur Energiegewinnung angesprochen wird. Ansporn für Visionen gibt es jedoch genug: Allein vor der Südostküste der USA ist ein 26.000 Quadratkilometer großes Methanhydrat-Feld entdeckt worden, in dem Kohlenstoff in einer Menge lagert, die, gemessen am Erdgasverbrauch der USA im Jahr 1996, für dieses Land rund hundert Jahre lang ausreichen würde.

Der weltweit zweitgrößte Energieverbraucher, Japan, der zudem von Energie-Importen abhängig ist, startete im Januar diesen Jahres ein Projekt zur kommerziellen Nutzung von Methanhydraten. Auch die USA haben die in den achtziger Jahren eingestellte Forschung auf diesem Gebiet wiederbelebt. In Projekten zusammen mit Japan und Indien soll bis 2015 die notwendige Technik erarbeitet sein. Die Forschungsarbeiten schließen die Beurteilung der Klimaveränderung durch diese neue Energiequelle und die Abschätzung der Meeresboden-Stabilität mit ein.

Als 1811 der Physiker Sir Humphrey Davy das erste Gashydrat synthetisch herstellte, galt die Verbindung als reine Kuriosität. Ernst genommen wird, im Lichte der drohenden Energieverknappung, mittlerweile jedoch jeder potentielle Energieträger.

pen



Weiterführende Literatur:

Erwin Suess, Gerhard Bohrmann, Jens Greinert, Erwin Lausch:
"Brennendes Eis", Spektrum der Wissenschaft, Juni 1999.