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Ausgabe 01/2010
Geothermie

Erdbeben durch Erdwärme?

Ein Tiefbohrprojekt zur Energiegewinnung in Basel haben die Schweizer Behörden jetzt endgültig gestoppt. Anfang Dezember 2006 war es im Stadtteil Kleinhüningen zu einem Erdbeben der Stärke 3,4 gekommen, das viele Menschen aufgeschreckt hat. In der Region Basel ist man sehr sensibel, was Erdstöße angeht. Am 18. Oktober 1356 gab es dort das stärkste historisch dokumentierte Beben in Zentraleuropa.

Auch das Geothermie-Kraftwerk im pfälzischen Landau, vielfach als Vorzeigeprojekt gefeiert, stand im vergangenen Jahr einige Zeit still, nachdem im Herbst in der Nähe des Kraftwerks die Erde leicht gebebt hatte. Experten gehen davon aus, dass das Kraftwerk die Beben ausgelöst hat.



Bohrungen für ein geothermisches Pilot-Heizkraftwerk in Basel (Foto: Geopower Basel AG)

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In Landau wird schon vorhandenes heißes Wasser aus der Erde gefördert – anders als in Basel: Bohrungen wie jene in der Schweiz reichen bis zu fünf Kilometer tief in den Boden. Ziel ist trockenes, mehr als hundert Grad heißes Gestein. Unter großem Druck wird Wasser hinunter gepumpt. Dadurch bilden sich Risse, die allmählich ein Warmwasser-Reservoir entstehen lassen. Das heiße Wasser gelangt durch weitere Bohrlöcher wieder an die Oberfläche, tritt als Wasserdampf aus und treibt Turbinen an, die Strom erzeugen. Die Abwärme lässt sich für Heizungen nutzen.

„Dieser Brute-Force Ansatz ist attraktiv und simpel“, schreibt der Direktor des Schweizer Seismologischen Instituts in Zürich, Domenico Giardini, im Journal „Nature“: „Der Nachteil ist: Er kann Erdbeben auslösen.“ Und zwar auch größere, nicht nur jene kleinen, die die Bohrung und das Erweitern des Reservoirs begleiten. Das schafft ein Problem, denn besonders wirtschaftlich ist das Verfahren in der Nähe von Siedlungen, wo es Abnehmer für das heiße Wasser gibt.



Hot-Fractured-Rock (Grafik: Geopower Basel AG)
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„Wir brauchen eine offene und umfassende Information der Bevölkerung und der Behörden, und zwar vor, während und nach dem jeweiligen Projekt“, meint Giardini mit Blick auf das Baseler Beben: „Die Risiken müssen offen genannt und eingeordnet werden, und es muss Gedanken dazu geben, wie man sich gegen die Schäden versichert, die von solchen Projekten ausgehen.“ Anderenfalls riskiere man eine derart starke Gegenwehr, dass eine vielversprechende alternative Energiequelle unnötig abgelehnt werde.

Der Kanton Basel-Stadt hatte nach dem Beben eine Risikoanalyse in Auftrag gegeben, die jetzt vorliegt. Sechs Firmen hatten dazu Messdaten und Modelle ausgewertet: Demnach ist die Gefahr für Erdbeben und Gebäudeschäden bei Bau und Betrieb einer solchen Anlage zu groß. Die zu erwartenden Sachschäden seien „gemäß dem Maßstab der Störfallverordnung hinsichtlich der Häufigkeit des Auftretens und der Schadenssumme als nicht akzeptabel zu beurteilen“, bilanziert die Kurzfassung der seismischen Risikoanalyse.

Den Experten zufolge ist der Standort Basel für Geothermie-Nutzung im kristallinen Tiefengestein ungünstig. Erst die Messdaten des Bohrprojektes hätten diese klare Erkenntnis ermöglicht, betonte Stefan Baisch vom Analyse-Konsortium. Die Stärke der Baseler Beben habe überrascht, anderswo habe derselbe Wasserdruck viel schwächere Stöße ausgelöst.



Sondierungsbohrung in Basel (Grafik: Geopower Basel AG)

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Die Versicherung der Bohrfirma hatte in der Folge des Bebens mehrere Millionen Euro für zahlreiche kleinere Gebäudeschäden bezahlt, da es sich um ein vom Menschen ausgelöstes Ereignis handelte. „Dies eröffnet natürlich schwierige Fragen“, sagt der oberste Schweizer Seismologe Giardini. „Wie wollen wir ein Erdbeben in Basel mit der Magnitude 5,5, sagen wir mal in 30 Jahren, behandeln? Können wir nachweisen, ob es natürlichen Ursprungs war oder nicht? Wer würde für die Schäden aufkommen?“

„Es wird nun für die Öffentlichkeit, die örtlichen Behörden, die Geothermie-Industrie sowie die Regulierungsbehörden klar, dass Geothermie ein kleines Risiko birgt – was bei den meisten Technologien des Energiesektors der Fall ist“, meint Giardini. „Die offene Frage ist, ob die Gesellschaft in der Lage ist, diese Risiken auszubalancieren und zu akzeptieren.“ Dafür brauche es eine gut informierte Diskussion. Für Giardini ist klar, dass es im Vorfeld keine ausreichende Risikoanalyse gab. Die Industrie habe ein zu rosiges Bild gemalt und berücksichtigte in einer erdbebengefährdeten Region wie Basel die lokalen Gegebenheiten nicht ausreichend.

Thilo Resenhoeft,dpa