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Ausgabe 02/2006
Fusionsforschung

Mehr ein Sprung als ein Schritt

Der deutsche Physiker Norbert Holtkamp wurde im April von den ITER-Partnern – China, Europa, Indien, Japan, Südkorea, Russland und den USA – zum Bauleiter des Projekts und stellvertretenden ITER-Direktor nominiert. Er ist damit verantwortlich für den Aufbau der bisher größten Fusionsanlage weltweit. Der Experimentalreaktor ITER (lat. „der Weg“) soll zeigen, dass sich – ähnlich wie in der Sonne – durch Kern­ver­schmelzung Energie gewinnen lässt. Die 4,6 Milliarden Euro-Anlage wird in Cadarache in Südfrankreich entstehen. Dr. Holtkamp (geboren 1961) beschäftigte sich bislang vor allem mit Teilchen­beschleunigern – am Berliner Elektronenspeicherring BESSY, an der Stanford-Universität in den USA, bei DESY in Hamburg sowie am Fermi Lab in den USA. Seit 2001 ist er Direktor der Abteilung Beschleuniger­systeme am Oak Ridge National Laboratory in Tennessee.


Dr. Norbert Holtkamp (Foto: Volker Steger)
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Energie-Perspektiven: Dr. Holtkamp, woran arbeiten Sie zurzeit?

Holtkamp: Gegenwärtig arbeite ich noch am Aufbau der SNS, der Spallations­neutronen­quelle in Oak Ridge in den USA. Dies wird sehr bald der leistungsstärkste Beschleuniger der Welt sein, der Protonen auf Quecksilber schießt, um einen hohen gepulsten Neutronenfluss zu erzeugen. Das Projekt entstand in Zusammenarbeit von sechs Großfor­schungs­ein­richtungen des Department of Energy, verteilt über den nordamerikanischen Kontinent. Ähnlich wie dies auch bei ITER sein wird, planten und bauten sie jeweils einzelne Systeme, die das Team in Oak Ridge dann zusammenbrachte, aufbaute und in Betrieb setzte. Die SNS kostet insgesamt 1,4 Milliarden US-Dollar, den Aufbau konnten wir im Mai zeit- und budgetgerecht beenden, etwa einen Monat vor dem offiziell versprochenen Ende. Im September ziehe ich dann endgültig um nach Cadarache.

Energie-Perspektiven: Waren Sie bereits in der Fusionsforschung tätig?

Holtkamp: Die Fusion ist ein neues Gebiet für mich, obwohl viele Technologien dem Beschleunigerbau ähneln. Das, hoffe ich, wird mir – zusammen mit der großen Erfahrung des ITER-Teams – den Start erleichtern. Ich habe mich bisher immer einer neuen Aufgabe zugewandt, wenn es Zeit war, etwas Neues zu lernen. Nun ist ITER die Gelegenheit. Trotzdem muss ich zugeben: Es ist für mich mehr ein Sprung als ein Schritt.



Vertragsunter-zeichnung zur Gründung der ITER-Organisation am 24. Mai in Brüssel. (Foto: Europäische Kommission)
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Energie-Perspektiven: Wo sehen Sie beim ITER-Aufbau die größte Aufgabe?

Holtkamp: Großprojekte wie ITER bedeuten stets eine doppelte Herausforderung: Erstens die technischen Beiträge im Zeit- und Kostenplan sicherzustellen, also die kontinuierliche Unterstützung der Partner aufrechtzuerhalten. Zweitens verlangt ein Projekt mit vielen Partnern die, wie es einer meiner Lehrer formulierte, „gleichmäßige Verteilung des Schmerzes“: Kompromisse muss man so finden, dass jeder zustimmen kann, auch wenn er etwas aufgeben muss.

Energie-Perspektiven: Fusionskraftwerke sollen ab Mitte des Jahrhunderts einsetzbar sein. Sind die Zeitpläne der Fusion zu lang?

Holtkamp: Ich denke, der Bedarf wird die Entwicklung antreiben. Angesichts der ungeheuren Energienachfrage und der extremen Wachstumsraten in Indien und China glaube ich zum Beispiel nicht, dass unsere Kinder später noch mit Benzin betriebene Autos werden fahren können. Genauso werden wir für die Stromversorgung neue Lösungen finden müssen. Daher wird in der zweiten Jahrhunderthälfte jede leistungsfähige und umweltschonende Energietechnik hoch willkommen sein.

Sabina Griffith/imi


 

ITER-Website