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Ausgabe 04/2002
Klimaschutz

Handel mit schlechter Luft

Für die einen ist er eine Art "Ablasshandel", für die anderen ein geeignetes Instrument des Klimaschutzes: die Rede ist vom Handel mit Emissionszertifikaten. Wie die EU-Umweltminister Anfang Dezember 2002 beschlossen haben, soll er von 2005 an innerhalb der EU etabliert werden, um es den einzelnen Mitgliedstaaten zu erleichtern, ihren durch Unterzeichnung des Protokolls von Kyoto eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen.

Kyoto-Ziele bis 2008/12 im Vergleich zum Erreichten (Grafik: RWE Rheinbraun AG) Bild vergrößern

Gemeinsam müssen die 15 gegenwärtigen EU-Länder im Zeitraum von 2008 bis 2012 ihre Emissionen an Treibhausgasen gegenüber dem Gesamtausstoß von 1990 um 8 Prozent verringern. Nach dem Prinzip der Lastenverteilung (burden sharing) tragen die einzelnen Länder in unterschiedlichem Maße zu der Reduktion bei. Während Deutschland seinen Ausstoß um 21 Prozent senken muss, dürfen weniger industrialisierte Länder wie Portugal und Irland diesen zur Zeit noch steigern. Dass die Emissionen EU-weit bereits um 3,5 Prozent zurückgegangen sind - bezogen auf alle Treibhausgase -, ist vor allem auf starke Minderungen in Großbritannien und Deutschland zurückzuführen.

Nach dem Protokoll von Kyoto soll der Emissions-Handel zwischen Industriestaaten global von 2008 an möglich sein. In der EU geben die einzelnen Länder dazu - unter Berücksichtigung ihrer Reduktionsverpflichtung - Kontingente an zulässigen Emissionsmengen vor. Wie diese Mengen auf die verschiedenen Unternehmen bzw. Branchen verteilt werden, ist Angelegenheit der Nationalstaaten.

Kyoto-Ziele im weltweiten Vergleich (Grafik: RWE Rheinbraun AG) Bild vergrößern

Ein Handel mit Emissionszertifikaten erlaubt es, die Gesamtmenge der erlaubten Emissionen festzulegen. Außerdem kommt es, so die Befürworter, zu einer möglichst kosteneffizienten Reduktion an Treibhausgasen. Denn ein Unternehmen, das mit geringen Investitionen seine Emissionen verringern kann, wird sein Kontingent nicht ausschöpfen und die überzähligen Lizenzen zum Verkauf anbieten. Ein umfassender Handel würde alle sechs im Kyoto-Protokoll genannten Treibhausgase - Kohlendioxid, Methan, Distickstoffoxid, zwei Gruppen von Kohlenwasserstoffen sowie Schwefelhexafluorid -, alle Quellen, aber auch alle "Senken" einbeziehen, zum Beispiel Wälder, die Kohlendioxid absorbieren. Die EU will dagegen lieber Schritt für Schritt vorgehen: Der Handel soll sich zunächst auf Kohlendioxid beschränken und nur die energieintensiven Branchen - Energiewirtschaft, Eisen- und Stahlindustrie, Chemische Industrie, Raffinerien - erfassen, die knapp die Hälfte des Kohlendioxid-Ausstoßes verursachen. Ausgenommen vom Handel werden private Haushalte sowie der Verkehr. Hier sollen weiterhin steuerliche Anreize zu einer Verminderung an Treibhausgasen führen.

Wie funktioniert der Emissionshandel? (Grafik: Dr. Helmuth Groscurth, HEW) Bild vergrößern

Bevor der Handel mit Emissionszertifikaten EU-weit in Kraft tritt, müssen noch eine Reihe von Fragen geklärt werden. So ist zur Zeit noch offen, auf welche Weise Unternehmen ihre jeweiligen Lizenzen erhalten. Hier ist sowohl das "grandfathering" (ein Unternehmen bekommt kostenlos ein bestimmtes Kontingent) als auch die Ersteigerung von Zertifikaten im Gespräch. Auch wird diskutiert, Normen ("performance standards") zu etablieren, die produktspezifisch eine bestimmte Menge an Emissionen zulassen. (Der Richtlinienvorschlag vom 23.10.2001 sieht nur anlagenbezogene Obergrenzen vor.) Deutschland hat sein Soll an Emissions-Minderung vor allem durch das Instrument der freiwilligen Selbstverpflichtung schon heute fast erreicht. Die Bundesregierung wird laut Koalitionsvereinbarung darauf drängen, dass die seit 1990 ergriffenen Maßnahmen bei der Zuteilung der Emissionsrechte voll berücksichtigt werden.

Wenn die Weichen für einen Handel mit Emissionszertifikaten falsch gestellt werden, so besteht die Gefahr, dass sich der erwünschte Effekt in sein Gegenteil verkehrt. Da mit der EU-Richtlinie nur Obergrenzen für die Kohlendioxid-Emissionen in der Gemeinschaft festgelegt werden, erhalten die Unternehmen einen Anreiz, Produktion in Drittländer zu verlagern. Eine weitere Folge ist möglicherweise, dass die Kohle als Energieträger in der EU durch Erdgas verdrängt wird. Dies kann dazu führen, dass der Erdgaslieferant Russland seine eigenen Kraftwerke, die mit geringeren Wirkungsgraden als die deutschen arbeiten, von Erdgas auf Kohle umstellt. Kritiker der gegenwärtigen EU-Pläne ziehen daraus den Schluss, der Handel mit Emissionszertifikaten sei nur dann klimafreundlich, wenn das System global angelegt sei und möglichst auch die Entwicklungsländer einbeziehe, die enorme Zuwächse an Treibhausgasen zu verzeichnen haben. Außerdem müsse sich der Handel auf alle sechs Treibhausgase und alle Industriezweige erstrecken.

Olivia Meyer


Weitere Informationen:
Amended proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council establishing a scheme for greenhouse gas emission allowance trading within the Community, Council of the European Union, Brussels, 11 December 2002 (Download .pdf 80 kB)