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Ausgabe 01/2004 |
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Ausgabe 01/2004
Klimaschutz
Kohlendioxid vermeiden - aber wie?
Die Erneuerung der Dampfturbine im Steinkohlekraftwerk
Mehrum in Niedersachsen hat sich gelohnt. Die optimierten Laufschaufeln
der neuen Turbine steigerten den Wirkungsgrad der 25 Jahre alten Anlage
um zwei Prozentpunkte auf 40,5 Prozent. Was zunächst nicht sehr beeindruckend
klingt, entspricht aber einer Mehrleistung von 38 Megawatt. Um diese Menge
Strom zu erzeugen, müssten, so der Turbinenhersteller Siemens, pro
Jahr fast 80.000 Tonnen Kohle verbrannt werden; jährlich 200.000
Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid werden so eingespart.
Die Modernisierung bestehender Kraftwerke ist ein Weg zu geringeren Kohlendioxid-Emissionen
bei der Stromerzeugung. Rund 350 Millionen Tonnen pro Jahr sind dies heute
in Deutschland. Ein anderer Weg ist die vermehrte Nutzung erneuerbarer
Energien. Sie tragen heute rund acht Prozent der Stromproduktion. Dabei
liegt die Jahreserzeugung an Windstrom bereits bei zwei Dritteln des lange
Zeit dominierenden Wasserkraftanteils. Insbesondere die Windenergie soll
nach dem Willen der Bundesregierung erheblich ausgebaut werden, auf 20
bis 25 Gigawatt alleine im Offshore-Bereich. Finanziert wird dieser Ausbau
durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (Vorgeschichte siehe Energie-Perspektiven 3/03).
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Eine erneuerte Dampfturbine für das Kohlekraftwerk
Mehrum. (Siemens Pressebild)
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Dabei ist über die Hälfte des deutschen Kraftwerksparks älter
als 25 Jahre. Ab 2007 wird eine durchschnittliche Zubauleistung von gut
2000 Megawatt pro Jahr nötig, nach 2015 werden Kraftwerksneubauten
in erheblichem Umfang erforderlich. Insgesamt sind bis zum Jahr 2020 rund
33 Gigawatt neu zu errichten.
Die Kosten unterschiedlichster Vermeidungsstrategien untersuchte Professor
Ulrich Wagner vom Lehrstuhl für Energiewirtschaft und Anwendungstechnik (LFE) der Technischen Universität München. Sein Simulationsprogramm
schätzt Wirkung und Kosten verschiedener Maßnahmen bis zum
Jahr 2020 ab: Stiege beispielsweise die Einspeisung von Windstrom von
heute drei auf 15 Prozent der Stromversorgung, könnten jährlich
zwischen 15 und 60 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart werden. Die
zugehörige Kostenrechnung berücksichtigt die Einspeisevergütung
und die Aufwendungen für Regelleistung und Absicherung durch konventionelle
Kraftwerke, die in windarmen Zeiten einspringen müssen. Nicht berücksichtigt
sind deren reduzierte Lebensdauer aufgrund häufigeren Leistungswechsels
und die Kosten für die nötige Erweiterung der Übertragungsnetze
von den Erzeugungs- zu den Verbrauchsorten. Bis 2020 ergeben sich so Aufwendungen
von 50 Milliarden Euro. Dies ist deutlich weniger als bei Stromerzeugung
aus Photovoltaik zu erwarten wäre.
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Kohlendioxid-Einsparung bis 2020 und ihre Kosten (Grafik: nach U. Wagner, TU München)
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Verglichen wurde dies mit der Wirkung von vorgezogenen Modernisierungen
der bestehenden Kraftwerke Maßnahmen also, die technisch noch nicht nötig wären,
aber den Wirkungsgrad steigern könnten. Würde die für den
Ausbau der Windenergie aufgewandte Einspeisevergütung für diese
Effizienzsteigerung des Kraftwerksparks bereitgestellt, lägen die
im Jahr 2020 resultierenden Stromerzeugungskosten niedriger. Während
im Windszenario pro vermiedener Tonne Kohlendioxid 47 Euro
zu tragen wären, wären es nun 27,5 Euro. Noch günstiger
jedoch sind beide Maßnahmen zusammen: Die kombinierte Strategie
von kurzfristig vorgezogener Kraftwerksmodernisierung und mittelfristigem
Ausbau der Windenergie erschließt mit Kosten von 25 Euro pro gesparter
Tonne Kohlendioxid die größten Einsparpotentiale.
Abgeschätzt wurde auch der mögliche Beitrag der Kernkraftwerke. Würden
die vorhandenen Anlagen mit Laufzeiten von 40 statt der für den Kernenergieaustieg
vereinbarten 33 Jahre betrieben, so ließen sich bis zum Jahr 2020
zusätzlich über 500 Millionen Tonnen Kohlendioxid vermeiden
und 17 Milliarden Euro sparen. Pro nicht erzeugter Tonne Kohlendioxid
ergäben sich negative Kosten, d.h. Einsparungen von 18,5
Euro.
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Wieviel Kohlendioxid lässt sich einsparen? (Grafik: nach U. Wagner, TU München)
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Insgesamt, so folgert Prof. Wagner, ist die heutige
Förderung erneuerbarer Energien nicht die effektivste Form des Umweltschutzes.
Neben einer angemessenen Förderung von Wind- und Wasserkraft sollten
ebenso vorgezogene Kraftwerkserneuerungen verfolgt werden, die in den
nächsten 20 Jahren eine effizientere Kohlendioxid-Minderung versprechen.
Erst wenn die Kraftwerkstechnik keine Wirkungsgradsteigerung mehr erlaubt,
kommen die Vorteile der regenerativen Stromerzeugung voll zum Tragen.
imi
Literatur:
U. Wagner, O. Brückl: Erneuerbare Energien und die Zukunft der deutschen
Energieversorgung. Vortrag auf dem VRE-Symposium
Erneuerbare Energien zwischen Anspruch und Machbarkeit
Berlin, 2003 (download .pdf 179
kB)
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