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Ausgabe 03/2002 |
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Ausgabe 03/2002
Interview
Kohlendioxid aus Abgasen entfernen
Gespräch mit Helmut Geipel und Dr. Thomas Rüggeberg vom Bundesministerium
für Wirtschaft und Technologie in Bonn,
Referat für Energieforschung. Das Gespräch führte Olivia
Meyer.
Energie-Perspektiven: Alle reden von erneuerbaren Energien, Sie
hingegen fördern Forschungsaktivitäten im Bereich der fossilen
Energieträger. Wie lässt sich das mit den Zielen Nachhaltigkeit
und Klimaschutz vereinbaren?
BMWI: Das eine schließt das andere
nicht aus. Im Gegenteil: Beide Forschungszweige tragen additiv zu einer
nachhaltigen Energieversorgung bei und sind Bestandteil unserer Forschungsförderung,
sowohl erneuerbare Energien (Photovoltaik, Wind, Geothermie) als auch
Technologien auf der Basis fossiler Energieträger, insbesondere
Gas- und Kohlekraftwerke, sowie Brennstoffzellen. Unser Ziel ist einerseits
eine Sicherstellung der Energie-Versorgung (über 60 Prozent der
Stromversorgung werden heute mit fossilen Energieträgern gedeckt),
andererseits eine ständige Verbesserung der Kraftwerkskonzepte
zur Erhaltung einer wirtschaftlichen Energieproduktion. Eine höhere
Effizienz der Kraftwerke trägt gleichzeitig erheblich zum Umweltschutz
bei. Ein Beispiel: Der Neubau einer einzigen 500-Megawatt-Anlage mit
einem Wirkungsgrad von 45 Prozent gegenüber einem Mittelwert von
36 Prozent erspart jährlich ca. 570.000 Tonnen Kohlendioxid und
200.000 Tonnen Steinkohle bei 6000 Betriebsstunden pro Jahr. Dies entspricht
einer Verminderung um jeweils 20 Prozent.
Energie-Perspektiven: Wie sieht die Förderung aus? Vergeben
Sie direkt finanzielle Mittel für bestimmte Forschungsvorhaben?
BMWI: In der Projektförderung werden Zuschüsse zu Forschungs-
und Entwicklungsvorhaben gegeben, die im Bundesinteresse liegen und
die ohne Förderung nicht oder nicht so schnell bzw. so umfangreich
durchgeführt würden. Im Rahmen der EU-Bestimmungen dürfen
wir Forschungsprogramme in der Industrie mit bis zu 50 Prozent fördern,
Hochschul- und Großforschungseinrichtungen zu 100 Prozent. Die
Förderquote hängt unter anderem auch davon ab, wie dicht die
Entwicklung am Markt ist, wie schnell sie sich also in ein Produkt umwandeln
lässt. Komponenten von Turbinen, die den Wirkungsgrad eines Kraftwerks
verbessern, würden z.B. innerhalb von zwei oder drei Jahren zum
Einsatz kommen. Dagegen sind Techniken, Kohlendioxid aus den Abgasen
zu entfernen und zu entsorgen, viel weiter von der realen Umsetzung
weg.
Energie-Perspektiven: Hier werden Sie also nicht aktiv?
BMWI: Unser aktuelles Energieforschungsprogramm datiert aus 1996.
Bislang haben wir vor allem Konzepte zur Erhöhung der Effizienz
von Kraftwerken gefördert. Wir sind gegenwärtig dabei, ein
Folgeprogramm zur Kraftwerkstechnik zu formulieren. Der Leitfaden dafür
lautet: "Auf dem Weg zum emissionsfreien Kraftwerk". Hier
werden wir auch neue Techniken der Kohlendioxid-Abtrennung untersuchen.
Die heute technisch mögliche Methode, das Kohlendioxid chemisch
über Amine zu binden, verschlingt sehr viel Energie, d.h. um die
gleiche Menge Strom zu erzeugen, bräuchte man 10 bis 20 Prozent
mehr Erdgas oder Kohle. In der chemischen Industrie werden aber z.B.
heute schon Membrane verwendet, um Gase zu trennen. Diese Techniken
müssten wir für Kraftwerke nutzbar machen, die dann aber mit
den heutigen nur noch wenig gemeinsam haben. In ferner Zukunft sind
Kraftwerke mit 70 Prozent Wirkungsgrad und Null Emissionen denkbar.
Energie-Perspektiven: Null Emissionen erreichen Sie nur unter
der Vorraussetzung, dass Sie die abgetrennten Abgase auffangen und sicher
lagern können.
BMWI: Die heute anfallenden Kohlendioxid-Mengen sind nur zu einem
geringen Prozentsatz wiederverwendbar, z.B. in der Getränkeindustrie.
Selbstverständlich ist daher eine sichere akzeptable, bezahlbare
und ausreichende Deponierung des abgefangenen Kohlendioxids Voraussetzung
für solche Konzepte. Als Deponien kommen einige geologische Strukturen
in Frage. In Deutschland eignen sich nach Auskunft der BGR (Bundesanstalt
für Geowissenschaften und Rohstoffe) vor allem erschöpfte
Erdgas-Lagerstätten, wie wir sie im norddeutschen Raum finden.
Sie haben schon unter Beweis gestellt, dass sie Gas über gewaltige
Zeiträume sicher speichern können. Deren Kapazitäten
reichen allerdings nicht aus. Tiefliegende, salzwasserführende
Sedimentschichten (Aquifere) haben das größte in Deutschland
verfügbare Speicherpotenzial. Die Langzeitsicherheit ist hier aber
noch intensiv zu erforschen. Eine Verklappung im Meer kommt aus heutiger
Sicht nicht in Frage. Wir wissen zu wenig darüber, wie sich ein
Kohlendioxid-See auf dem Meeresgrund auswirken würde.
Energie-Perspektiven: Wie ist die gesellschaftliche Akzeptanz
für Pläne, Kohlendioxid auf diese Weise zu entsorgen?
BMWI: Diese Möglichkeiten wurden in Deutschland bisher kaum
diskutiert. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass das Bundesumweltministerium
diesen Plänen noch kritisch gegenüber steht.
Energie-Perspektiven: Können Sie sich ein Szenario vorstellen,
in dem wir ohne fossile Brennstoffe auskommen?
BMWI: Alle Prognosen bis 2020 und teilweise darüber hinaus
sehen die Hauptlast der Stromerzeugung bei den fossilen Brennstoffen.
Bis dahin werden wir zwar den Anteil der regenerativen Energien nach
Ergebnissen der Prognosstudie von derzeit 6 auf 12 Prozent steigern
können, ein Verzicht auf Kohle oder Erdgas ist in den nächsten
20 bis 30 Jahren sicher nicht machbar.
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